The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
1
A BIGDON
Die meisten Menschen müssen sterben, um in die Hölle zu kommen. Ich nahm die Abkürzung.
Ich war im Abingdon State Prison, eingesperrt für einen Mord, den ich nicht begangen hatte, und wartete auf die Männer, die mich töten würden.
Es war das Schlimmste, was mir je passiert war.
Seit zwei Wochen harrte ich nun hier aus. Zwei Wochen voller zermürbender Langeweile und erdrückender Angst. Wenn ich in meiner Zelle war, schienen die Sekunden unendlich langsam zu verstreichen. Wenn ich Hofgang hatte, in der Kantine saß oder im Waschraum unter der Dusche stand, beherrschte mich die Angst. Und das Warten. Warten darauf, dass die Killer ihre Drohung wahr machten. Immer wieder hörte ich die Worte, die einer von ihnen mir ins Ohr geflüstert hatte, als ich eines Abends in der Schlange vor der Essensausgabe stand: Du bist schon tot, West. Du weißt es nur noch nicht.
Allein in meiner Zelle, starrte ich die hellbraune Wand an. Schwarze Verzweiflung hüllte mich ein. So gut ich konnte, versuchte ich, dagegen anzukämpfen, machte Liegestütze, las in der Bibel oder betete. Die Gebete waren tröstlich und verschafften mir ein wenig Erleichterung.
Plötzlich ertönte laut und alarmierend der Summer unddie Zellentür glitt auf. Ein Wärter brüllte vom Ende der Zellenreihe: »Hofgang!«
Dann fingen die Angst und das Warten wieder an.
Wo war nur Detective Rose? Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er mich vor den Homelanders gerettet und in Handschellen abgeführt hatte. Rose war der einzige Polizeibeamte, der wusste, wer ich war. Er wusste, dass ich von Waterman und dessen Agenten bei einer terroristischen Organisation eingeschleust worden war. Und er wusste, dass ich mir den Mord an meinem Freund Alex Hauser hatte anhängen lassen, damit die Homelanders glaubten, ich sei verbittert und bereit, mich von ihnen anwerben zu lassen. Rose war selbst einer von Watermans Agenten – zumindest glaubte ich das. Ich redete mir ein, er müsse hinter den Kulissen arbeiten, um meinen Namen reinzuwaschen und meine Freilassung zu erwirken. Ich war sicher, dass er bald kommen würde, um mich hier rauszuholen. Jeden Tag, jeden Moment. Er musste einfach.
Doch die Killer kamen zuerst.
Ich trat hinaus auf den Hof, ein großes Quadrat aus vertrocknetem Rasen und aufgeplatztem Asphalt. Es war von einem Stacheldrahtzaun umgeben, der wiederum von einer hohen Betonmauer umschlossen wurde. An den Ecken der Mauer standen Wachtürme, darin Männer mit Gewehren, die jede Bewegung der Häftlinge im Auge behielten.
Hier unten auf dem Rasen und dem Asphalt liefen die Häftlinge in ihrer eintönigen grauen Gefängniskluft herum. Manche waren in Hemdsärmeln, aber die meisten trugen graue Mäntel und schwarze Wollmützen gegen die Kälteund den leichten Schneefall. An jedem Mantel und jedem Hemd war links auf der Brust ein schmaler weißer Streifen mit der Nummer des Häftlings aufgenäht, und rechts war sein Name aufgedruckt.
Die Gesichter der Männer waren schwarz, weiß oder braun, ihre Augen hart und wachsam.Wut, Gemeinheit und Angst zeichneten sich in den tiefen Falten auf ihren Wangen und ihrer Stirn ab. Sie standen um die Hantelbänke und Gewichte am Rand des Asphalts herum, spielten Basketball auf dem Halfcourt oder Baseball auf dem Rasen, gingen auf und ab und unterhielten sich oder saßen einfach nur da und starrten vor sich hin.
Zwischen ihnen patrouillierten Wärter, Männer in blauen Hemden und schwarzen Hosen. Sie trugen keine Waffen, nur schwere Walkie-Talkies an ihrem Gürtel. Die Wärter beobachteten die Häftlinge. Die Häftlinge dagegen beobachteten sich gegenseitig. Und einige von ihnen beobachteten mich, warteten nur auf die passende Gelegenheit, sich auf mich zu stürzen.
Ich lag auf einer der Hantelbänke und stemmte ein leichtes Gewicht. Ich wollte die Beweglichkeit und Schnelligkeit behalten, die ich durch mein Karatetraining besaß. Die Männer um mich herum waren jedoch auf dicke Muskelpakete aus und stemmten mehrere Hundert Pfund. Sie ackerten still und verbissen vor sich hin. Es waren ziemlich fiese Kerle: Weiße mit kahl rasiertem Schädel, dicken Armen und breiter Brust, auf deren Bizeps oder Stirn Hakenkreuze tätowiert waren. Ein paar von ihnen hatten sich auch noch ein christliches Kreuz stechen lassen. Wieso sie glaubten, ein Symbol des Hasses und ein Symbol der Liebe seien miteinander vereinbar,war mir ein Rätsel. Aber ich hütete mich, sie danach zu fragen, denn sie sahen nicht unbedingt
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