2317 - Arkons Fall
Imperiums. Und Kucurrts Leben.
Im einen Augenblick fühlte der Dryhane sich fast schwerelos, erhaben, aber auch winzig, unbedeutend im Vergleich zu der Pracht des Palasts, im nächsten spürte er eine Last auf seinen Schultern. Eine Last, die von Tag zu Tag schwerer zu werden schien. Die des Alters, die der Verantwortung.
Kucurrt wünschte sich plötzlich, diesen Anblick auch bei seinem letzten Atemzug sehen zu können. Als Letztes im Leben den Kristallpalast zu schauen ... konnte es einen schöneren Tod geben?
Aber die She'Huhan bestimmten über das Schicksal aller Arkoniden, und ihm blieb nur abzuwarten, ob sie ihm gnädig gesinnt waren oder nicht. „Es ist an der Zeit", meldete sich die Positronik seines Mehrzweck-Armbandgeräts.
Kucurrt seufzte leise. War die Tonta der Entspannung schon vorbei? Es musste wohl so sein; auf die Positronik war Verlass. „Leite den Landeanflug ein", sagte er und spürte im gleichen Moment, wie ein leichter Ruck durch den Drachen ging.
Nun bestimmte nicht mehr die Thermik an den Gipfeln den Flug, sondern der Antigrav des Gleiters, der auch eingegriffen hätte, hätten widrige Winde den einzigen Passagier in Gefahr gebracht.
Der Drachen senkte sich in einer Kreisbahn nach Osten. Kucurrts Blick fiel kurz auf einen Ausschnitt der Karaketta-Bahn, die in einem Kreiskurs von etwa fünfzig Kilometern Durchmesser durch die Hügeltäler führte. Dann tauchte vor ihm am östlichen Fuß der künstlich geschaffenen Gebirgslandschaft, die das Hochplateau des Hügels der Weisen umgab, das Tabbos-Atrium auf, ein fünfhundert Meter hoher Wohnanlagenkelch, der Regierungsmitgliedern, Offizieren und Adligen als Unterkunft diente. Fünf Kelchetagen waren überdies Diplomaten-Appartements vorbehalten. Das weiße Gebäude erstrahlte hell in der morgendlich tiefstehenden Arkonsonne. Es stand auf einem extrem zierlichen Fuß von nur fünfzig Metern Durchmesser, wuchs dann aber mit geschwungener Wölbung auf einen Oberkantendurchmesser an, der der Höhe entsprach. Neunzig Etagen, nach innen hin als Terrassenparks abgestuft, verdeutlichten Rang und Namen: je höher die Adresse, desto angesehener der Bewohner.
Seine Quartiere befanden sich in der obersten Etage, ein Zeichen der Wertschätzung, die ihm durch den Imperator zuteil wurde.
Doch nicht Tabbos war sein Ziel. Der Drachengleiter strebte dem Zentrum der Hochebene entgegen, und nach kaum einer Dezitonta erklang ein Warnton und wies ihn darauf hin, dass er die Innere Sicherheitszone erreicht hatte, den Kernbereich des Hügels der Weisen mit einem Durchmesser von zwanzig Kilometern, in dessen Mitte sich der Palast befand.
Kucurrt verdankte es nur seiner Stellung am Hof - und des Imperators Großzügigkeit -, dass er überhaupt hier mit einem Drachengleiter fliegen durfte. Für ihn war eine absolute Ausnahmeregelung getroffen worden. Doch er wusste, dass er sich im Visier zahlreicher Überwachungs- und Ortungsgeräte befand. Bei der geringsten Unregelmäßigkeit würde man ihn unsanft vom Himmel holen oder sogar abschießen.
Aber das nahm er in Kauf, um diesen Anblick genießen zu können, der ihm immer wieder neue Kraft gab.
Der Drachengleiter näherte sich dem Palastkelch. Um 2500 da Ark war er errichtet worden,- doch wirklich fertig gestellt war er auch jetzt noch nicht.
Immer wieder war der Palast umgebaut worden, hatte man die innere Architektur verändert, neueste Technik eingebaut.
Der Dryhane bekam nichts davon mit, wusste jedoch, dass nun eine Strukturlücke für ihn geschaffen wurde. Der Palast war mannigfach abgesichert; Tarneinrichtungen verbargen die Projektoren für Kraftund Deflektorfelder, sodass seine äußerliche Erhabenheit nicht beeinträchtigt wurde: Dann wurde er selbst von einem solchen Feld erfasst; hätte jemand seine Landung beobachtet, wäre er für dessen Augen einfach verschwunden.
Weich setzte er am Fuß des Palastes auf.
Er löste die Gurte und schwang sich aus dem Drachengleiter. Vor ihm flimmerte das Kelchfundament, und dort, wo gerade noch makellose Kristalle gefunkelt hatten, öffnete sich eine Tür.
Kaum hatte Kucurrt den Boden berührt, fiel jede Erinnerung an das schwerelose Dahingleiten von ihm ab, und er spürte wieder die Last auf seinen Schultern. Die Last des Alters und der Verantwortung und die Angst vor Veränderungen. Nach diesem Tag würde nichts mehr so sein wie vorher.
Die Veränderungen betrafen auch ihn, und er musste eine Entscheidung treffen.
Seine uneingeschränkte Loyalität galt dem
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