2322 - Die Schläfer von Terra
bekräftigte Blueboy. „Offensichtlich prüfen sie uns", sagte der Oberst. „Sie pirschen sich langsam heran.
Beim nächsten Mal werden sie vielleicht mit zwölf Schiffen angreifen, dann mit dreißig und schließlich ..."
„Wie auch immer", unterbrach ihn Rhodan, „es besteht weder zu Jubel noch zu Panik Anlass. Nur zu berechtigtem Argwohn. Die Terminale Kolonne verfügt über gigantische Flottenressourcen, so viel ist klar. Sie könnten uns problemlos ins Nichts bomben, doch sie tun es nicht. Das deutet darauf hin, dass es ihnen darum geht, uns unbeschadet in die Hände zu bekommen."
„Diese Theorie ist unsere einzige Chance, nicht wahr?"
Rhodan nickte. Für Sekunden starrte er noch auf die Holos, dann ging ein Ruck durch seinen Körper. „Es gibt keine Garantie, dass wir das Spiel nicht irgendwann überreizen, und ich habe gerne einen Trumpf im Ärmel. Ich brauche eine Verbindung zum BACKDOOR-Bahnhof von Merkur, Oberst", wies er Pragesh an. „Kann sein, dass wir darauf zurückgreifen müssen. Ich will, dass wir für alle Fälle bereit sind. Ich will wissen, dass wir jederzeit in der Lage sind, Raumschiffe, Personen oder Waren von Terra ins Wegasystem zu schicken. Nach Ferrol."
„Wir können aber nicht fünfzehn Milliarden Menschen evakuieren", gab Pragesh zu bedenken. „Außerdem wird auch dort die Kolonne präsent sein. Ich jedenfalls wäre es an ihrer Stelle."
*
Ilija Jurics Tagebuch (kein Eintrag)
2.
18. Oktober 1344 NGZ Ein verwilderter Park am Sirius-River Terrania Der große graue Schäferhund schob sich aus den ungezügelt rankenden Wildrosenbüschen und betrat die Lichtung, die um diese Zeit menschenleer war. Es war früher Morgen, die Dämmerung hatte eingesetzt. Am Himmel zogen jetzt schon wieder viele Gleiter, verspätete Nachtschwärmer oder Terraner auf dem Weg zur Arbeit. Die wenigen Jogger und andere Frühsportler nahmen die für sie angelegten Wege. In das Dickicht, eines der bewusst naturbelassenen Gebiete Terranias, verirrte sich selten ein Mensch.
Es war Heimstatt für Niederwild ebenso wie für wilde Katzen und Vögel.
Drei im Zwielicht grau gefiederte, eulenartige Geschöpfe hockten nebeneinander auf einem dicken Ast und glotzten auf den Hund herab. Ein Durchschnittsterraner hätte sie wahrscheinlich als Kauzart eingestuft, allem Anschein nach mitten in der Mauser oder nach einem Rangkampf, denn sie wirkten deutlich zerrupft. Wäre ein Ornithologe der Beobachter gewesen, hätte er sofort einen Exozoologen zu Hilfe gerufen, denn diese Käuze gehörten keiner bekannten einheimischen Art an: Ihnen fehlten zum Beispiel die gezwirbelten Ohren etwa eines Kauzes. Ihr Schnabel war zu lang und ausgeprägt, ihr Federkleid war zu spärlich und wirr, ihre Augen leuchteten in einem düsteren Rot.
Aber auch ein Exozoologe der Universität Terrania hätte bei der genauen Herkunftsbestimmung kapitulieren müssen.
Nicht so der Schäferhund.
In der Mitte der Lichtung blieb er stehen.
Kurz witterte er. Sein Blick ging von einer der Eulen zur anderen.
Sehr schön, Familie. Alle Daerba sind da.
Der Hund setzte sich hin.
Jeglicher Kontakt per Kolonnen-Funk nach außen ist abgebrochen. Eigentlich sollten die Terraner nicht in der Lage sein, eine solche Unterbrechung zu bewirken.
Doch der Kristallschirm, den wir seit einiger Zeit am Himmel beobachten können, stellt offenbar eine Gefahr dar, die so im Vorfeld nicht berechnet worden ist.
Einer der „Käuze" schlug nervös mit den Flügeln.
Die Dunklen Ermittler machen keine Fehler, Kalbaron.
Diesmal offensichtlich schon. Sie gingen von veralteten Daten aus.
Der Schäferhund hechelte.
Unruhig verlagerte ein Kauz das Gewicht von einer Klaue auf die andere.
Unsere Stunde ist gekommen. Die Koda Ariel erwachen.
Wie lautet dein Plan, Kalbaron?
Ich behalte meine Position bei und verhalte mich passiv. Meine Fähigkeit ist zu wertvoll, um sie gleich zu Beginn zu enttarnen.
Niemand misstraut einem Haustier. Die Terraner sind furchtbar naiv. Wir sind bereit.
Der Schäferhund überprüfte mit einem schnellen, mentalen Impuls das „Koda-Netz", die unsichtbaren, immateriellen Fäden, die jede Koda-ArielFamilie untereinander verband. Das war eigentlich nicht notwendig, denn solange jeder von ihnen die anderen spürte, war das Netz intakt. Dennoch, sie waren allein und eigenverantwortlich tätig. Sie hatten gelernt, sich abzusichern, in jeder Lebenslage. Dazu gehörten völlige Diskretion und absolute Loyalität gegenüber der
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