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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Weizenfeldes zieht sich ein Weg entlang«, sagte er zu Aruula. »Den nehmen wir. Verlaufen kann man sich auf dieser Winzinsel ohnehin nicht.«
    Seine Begleiterin nickte. Wie selbstverständlich ging sie voran und sicherte nach allen Seiten. Sie witterte in den Wind und reagierte auf das leiseste Geräusch. Alles an ihr war Spannung. Anspannung.
    Matt ließ seine Finger über die Weizenhalme gleiten. Die Ähren waren reif und prall. Bunt schillernde Käfer kletterten auf und ab, fliegende Ameisen surrten umher, irgendwo zirpte ein Grashüpfer. Normale Insekten; keine Andronen und Frekkeuscher, deren ins Riesenhafte vergrößerte Zerrbilder.
    Matthew Drax atmete tief durch. Wenn er die Erlebnisse der letzten Jahre aussparte und einfach an nichts dachte – nun, dann hätte er glauben können, zurück in der Heimat zu sein. Alles hier war so… normal.
    »Dort vorn ist die Hütte«, flüsterte Aruula. Sie duckte sich hinter meterhohes Gebüsch am Rand des Feldes und bedeutete Matt, es ihr gleich zu tun. »Da laufen Kinder im hinteren Bereich herum.«
    Er konnte es hören: entspanntes Gelächter und Geschrei. Kindliches Geplapper, das weitere Illusionen schuf, weitere Assoziationen in Matt weckte…
    »Lass dich nur nicht einlullen!«, mahnte Aruula. »Ich traue dem Frieden nicht.«
    Nein, dachte Matt energisch. Verdammt noch mal, er wollte an das glauben, was er hier sah und hörte. Nichts wünschte er sich mehr als ein kleines bisschen Normalität. Ein Land ohne Taratzen, Guuls, Siragippen, Nosfera und Wulfanen.
    Er erhob sich und ging trotz der mahnenden Zurufe Aruulas auf die Hütte zu. Alles war in Ordnung, alles…
    Neugierige Kinderaugen lugten hinter dem Haus hervor. Das Geschrei verstummte, nackte Füße tapsten über den Holzboden der Veranda, eine Türe öffnete sich im Hinterraum.
    Leise Stimmen. Getuschel. Das Scharren fester Schuhe über den Boden.
    Es ist alles gut, sagte sich Matt, immer wieder, gebetsmühlenartig. Er blickte nach rechts, zum einzigen kleinen Hügel der Insel, der über und über mit niedrig wachsenden Blumen in unterschiedlichsten Farben bedeckt war. Auffrischender Wind brachte den Duft nach Lavendel und Rosmarin mit sich.
    Die Vordertüre öffnete sich. Ein groß gewachsener Mann trat auf die Veranda und blinzelte gegen die Sonne. »Ein Fremder!«, sagte er erstaunt in verschliffenem Englisch, um gleich darauf misstrauisch zu fragen: »Kommst du aus dem Innenland?«
    Seine Rechte hielt er wie zufällig hinter seinem Rücken, und aus dem einzigen Fenster schob sich der Lauf einer Flinte.
    Die Realität der postapokalyptischen Erde hatte Matt wieder.
    4.
    In die neue Heimat
    Der Franke war stark, und er war willig.
    Er erledigte alles, was sie ihm auftrug, mit Gewissenhaftigkeit. Nanette kümmerte sich fürsorglich um ihn, sorgte dafür, dass er reichlich zu essen hatte – und musste selbst fast keinen Handgriff mehr tun. Er trug während des langen Fußmarschs weg vom Dom ihr Gepäck, und wenn sie müde war, trug er auch sie. Er half Pierre, wann immer sie es befahl. Er schlug das Lager auf, hielt Nachtwache, kümmerte sich um die Zelte, massierte ihr die Füße.
    »Was läuft da zwischen euch beiden?«, brüllte Pierre sie eines Abends an. So laut, dass seine Stimme sogar den stürmischen Wind übertönte, der durch das Zeltlager tobte. »Lässt du diesen hässlichen Kretin unter deine Bettdecke kriechen? Ich hatte immer schon den Verdacht, dass du mich hintergehst.« Seine Stimme schlug um, klang nun jämmerlich. »Ich wollte nicht glauben, dass du mich jemals betrügst. Ich hörte weg, wenn die anderen Männer ihre Witze rissen, und ich versuchte Verständnis für dich aufzubringen…«
    »Sei ganz ruhig, Foufou«, sagte Nanette und streichelte ihm sanft übers Haar. »Glaub doch nicht alles, was du von anderen hörst. Es gibt nur einen für mich, und das bist du.«
    Pierre atmete tief durch und starrte sie mit verzweifeltem Blick an. »Lass es bleiben. Bitte. Sag einmal in deinem Leben die Wahrheit.« Er rang nach Worten, setzte an, verstummte wieder, versuchte es erneut. »Ich habe mich immer gewundert, warum du ausgerechnet mich haben wolltest«, sagte er schließlich. »Ich sehe nicht besonders gut aus, ich bin auch nicht der Intelligenteste. Du hingegen warst der Schwarm aller Männer im Dom. Du machtest uns alle verrückt mit deinen Blicken, mit deinem blonden Haar. So wie du dich bewegt, so wie du geredet hast.«
    Pierre hatte recht. Alle hätte sie haben können. Vom Koch

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