2386 - Die Diskrete DomÀne
heißt: Es wird einmal unser Dorf werden", verbesserte Alexim. „Noch sind wir allein hier. Wir hoffen, viele Telomon davon überzeugen zu können, auf Neu-Lemur zu siedeln."
Sie planten ihre Zukunft, verdrängten tunlichst die Gedanken an den möglichen Zusammenbruch des Mesoport-Netzes. In mancher Hinsicht ähnelten sie den Lemurern. „Warum seufzt du?", fragte Alexim. „Habe ich das?" Ich schüttelte den Kopf. „Verzeiht mir, wenn ich derzeit noch nicht richtig funktioniere."
„Funktioniere?" Lemaha lachte unsicher. „Du bist doch keine Maschine!"
„In gewisser Weise schon." Ich drehte mich um, wollte keinesfalls über dieses Thema diskutieren. „Ihr werdet verstehen, dass ich mich erst einmal orientieren muss.
Ich bitte euch, mir zwei Tage Zeit zu geben. Erst dann kann ich euch sagen, wie wir weiter verfahren."
„Glaubst du wirklich, dass .du uns helfen kannst?" Alexims große Augen leuchteten auf, verloren gleich darauf wieder an Glanz. Nach wie vor hatte er gehörigen Respekt vor mir, wusste nicht richtig, wie er mich einordnen sollte. „In zwei Tagen sprechen wir weiter", wiederholte ich. „Wir treffen uns hier." Ich marschierte davon, zwängte mich zwischen eng stehenden Bäumen durch das Wäldchen und verließ die Diskrete Domäne Enduhaim.
*
Das Schicksal der Neu-Lemurer musste schrecklich gewesen sein. Der Tod hatte sie gänzlich unvorbereitet getroffen, während sie geliebt, gespielt, gelacht, geschlafen oder gesungen hatten.
In einem Akt der Verzweiflung schob ich Leichen zusammen. In der Hitze ausgedörrte Körper und von Raubtieren nahezu abgenagte Skelette fand ich.
Ich weinte, arbeitete weiter, weinte wieder - und ließ es schließlich bleiben. Etwas in mir drohte zu versagen. Ein biologischer Mechanismus, der mir sagte, dass mein Lebensinhalt vergangen sei. Dass es keinen Sinn mehr hätte, weiterzumachen. Dass ich mich in den Sand legen und auf den Tod warten sollte.
In diesen Augenblicken retteten mich wohl die Gedanken an die Telomon. Auch wenn ich keine Freude an meiner Existenz finden konnte, so wusste ich doch, dass es meine Pflicht war, hier und jetzt weiterzumachen.
Ich stattete der Nordwest-Pyramide einen ersten Besuch ab. Zunächst kümmerte ich mich nicht weiter um den Zustand der Anlagen. Es interessierten mich lediglich die Ladedocks und Energiepacks, die ich für die Aktivierung eines Gleiters benötigte.
Ohne lange darüber nachzudenken, fand ich die richtigen Lager. Alles war an Ort und Stelle geblieben. So Banales änderte sich nicht, während das wahrhaft Wichtige ... Ich zwang die verstörenden Gedanken in den Hintergrund meines Bewusstseins.
Dafür war keine Zeit.
Der Zweimanngleiter in einem versteckten Bunker ließ sich anstandslos starten und in die Lüfte heben. Ich steuerte ihn in die Stratosphäre, nahm Vermessungen vor, überprüfte per Fernabruf die Funktionalität diverser Stützpunkte, flog von Kontinent zu Kontinent.
Die Schwärze des Weltalls „hinter" mir erzeugte seltsame Sehnsüchte.
Leidenschaften, die einem präzise auf seine Aufgabe zugeschnittenen Wesen wie mir gar nicht zustanden.
Als die Sonnen ihren tiefsten Stand erreichten, sah ich meine erste Aufgabe als beendet und landete im gewaltigen Schlagschatten der Pyramiden.
Immer schon hatte ich diesen Platz geliebt; den „Vorhof zur Macht", wie ich die sandige, immer wieder von Windböen zerwirbelte Ebene genannt hatte.
Erst jetzt nahm ich mir die Zeit, die Daten des Inkarnierten durchzusehen. Ich ergänzte sie mit jenen Informationen, die ich soeben mithilfe der Lemurer-Technik gewonnen hatte, und hoffte, derart weitere Wissenslücken schließen zu können.
Warum quälte ich mich? Reichte es denn nicht zu wissen, dass ich 55.000 Jahre geschlafen hatte? Nein.
Meine Existenz begründete sich unter anderem auf der Tatsache, dass ich einen möglichst großen Überblick über die Geschehnisse behielt. Auch in Hinsicht auf die Erforschung der Mesoport-Technik würde mir ein historischer Überblick vielleicht weiterhelfen.
Der Rechner des Gleiters gab durch ein akustisches Signal zu verstehen, dass er den Datenvergleich mit allen zur Verfügung stehenden Quellen auf Neu-Lemur abgeschlossen hatte. Ich hatte mich in den Speichern der Maschinenstädte ebenso bedient wie in den Auswertungsroutinen der Pyramiden und im Lager uralter ehemaliger geostationärer Sonden, die seit mehr als fünf Jahrzehntausenden niemand mehr angegriffen hatte.
Ich griff in den Sand. Er fühlte sich
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