2386 - Die Diskrete DomÀne
warm. an. Ein glutroter Saotip-Skorpion klapperte zornig mit seinen Mandibeln, während er im Scherenschritt vor mir flüchtete.
Unweit vom Gleiter konnte ich die mäandernden Seitwärtsbewegungen einer Turf-Natter verfolgen, die sich auf Beutesuche befand. Zahlreiche Franolin-Früchte klirrten aneinander, als böiger Wind durch die knorrigen Bäume fuhr. Ich hatte ihr zähes Fruchtfleisch gerne gegessen. Damals ... „Datenaufbereitung fertig gestellt", hörte ich die nüchterne Stimme des Gleiterrechners. Ich hatte ihn mit einem der Zentralrechnerknoten unterhalb der Nordwest-Pyramide verbunden und derart seine Kapazitäten erweitert. „Beginne!", forderte ich.
„Ein Jahr und hundertdreißig Tage nachdem du dich in den Dormoid zurückgezogen hattest, endeten die Kämpfe zwischen den beiden Lemurer-Parteien", sagte die Rechenpositronik. „Friede kehrte ein, gestützt von der Erkenntnis, dass man sich nahezu isoliert im Leerraum befand und aufeinander angewiesen war."
Mein Werk hatte also auf eine andere Art und Weise als von mir erhofft Wirkung gezeigt. „Die Personen- und Warenbeförderung Richtung Jiapho-Duo und zum Sonnentransmitter Zhaklaan-Trio war nicht mehr möglich. Genauso wie in die Gegenrichtung nach Nagigal."
Ich stoppte die Sprachausgabe, lehnte mich verwirrt zurück. Ich hatte doch die Strecke nach Apsuhol nicht blockiert!?
Was War geschehen? War etwa entlang längerer Abschnitte der Transmitterstrecke Krieg zwischen Lemurern ausgebrochen, hatten Schutzautomatismen der Sphero gegriffen?
Oder ....
Eine Erinnerung tauchte auf. Ein Name.
Immentri ... Immentri Luz.
Einer wie ich war er gewesen. Dasselbe Fabrikat, dieselbe Aufgabe. Mein Bruder.
Der Aktivierungswächter von Nagigal.
Hatte er Anlass gehabt, seine Station, aus welchen Gründen auch immer, „dicht" zu machen? War ihm die vollständige Isolierung des Gulver-Duos zu verdanken?
Es war zum Verzweifeln. Jede neue Erkenntnis und jede neue Erinnerung warfen weitere Fragen auf. Als immer komplexer stellten sich die Probleme dar, die ich lösen wollte.
Ich habe einen Bruder!, fuhr es mir mit schmerzender Plötzlichkeit durch den Kopf. Ich war nicht alleine gewesen. Es hatte andere gegeben - und gab sie vielleicht noch.
*
„In den auf die Kriege folgenden Jahrhunderten beseitigten die Lemurer die meisten Schäden. Neu-Lemur und Pacaty blühten wirtschaftlich auf. Die Raumschifffahrt hingegen dümpelte auf wesentlich niedrigerem Niveau als zuvor dahin. Die Ressourcen waren knapp.
Zudem minderte die Isolation jeglichen Antrieb, sich mit dem Thema interstellarer Raumfahrt auseinanderzusetzen."
Auf der einen Seite materieller Reichtum, auf der anderen partielle Degeneration und Antriebslosigkeit. Ich kannte die Schwächen der Lemurer, ihre beiden Gesichter. Himmelhoch jauchzend konnten sie sich geben und gleichzeitig zu Tode betrübt. „Aus der Folgezeit sind dennoch mehrere kurze Epochen dokumentiert, während deren Transmissionen stattfanden und die Lemurer Kontakt zur Umwelt aufnahmen.
Doch allmählich machte sich ein weiterer Faktor bemerkbar, der das Leben auf Pacaty und Neu-Lemur vergiftete: Ein fünfdimensionales Strahlenspektrum wirkte auf die Bewohner der beiden Planeten ein. Viele litten unter der sogenannten Lethargie-Strahlung, die die Lemurer antriebslos machte und sie richtiggehend verdummte. Andere machten absonderliche körperliche Mutationen durch, verbunden mit quasireligiösen Wahnvorstellungen, die aus den Bewohnern Pacatys die sogenannten Yjancs formten."
Der Rechner bildete mehrere Datenhologramme aus, die ich mit einem raschen Blick begutachtete. Die Logikketten. die sich durch die Berechnungen zogen, wurden immer wieder, von einer Vielzahl von Fragezeichen unterbrochen. Was auch immer die Lemurer der damaligen Epoche in Erfahrung gebracht hatten - sie waren niemals zu einer Lösung ihrer Probleme gelangt. „Die am weitesten verbreitete Theorie lautete, dass eine im Krieg eingesetzte Biowaffe mit fünfdimensionaler Hintergrundbeimengung die Ursache für die Lethargie-Strahlung darstellte.
Beweisen konnte man diesen Verdacht freilich niemals."
Weitere Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten. Die Geschichte dieser geplagten Welten würde, so befürchtete ich, wohl niemals in all ihren Details geklärt werden können: Ich hasste Unsicherheiten genauso wie Improvisationen. Ich empfand körperlichen Schmerz, wenn ich auf Vermutungen aufbauen musste und keine Datensicherheit besaß. Auch dieser
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