2386 - Die Diskrete DomÀne
notwendig gewesen wären. „Du solltest die Dinge lockerer angehen", sagte ich in einem ruhigen Augenblick zu ihm. „Wenn du denjenigen wehtust, die du liebst, wirst du niemals ihre Achtung gewinnen."
„Und du solltest dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern", erwiderte der Dorfminster leicht lallend. „Ich bin nicht wie sie. Habe einen weiteren Horizont, verstehe mehr vom Wesen der Dinge. Aber das wollen sie nicht hören. Sie wollen einen Dorfminster, der ihnen sagt, was sie hören wollen. Der nicht von Gefahren redet und sie in einer bunten Wolke aus Glückseligkeit schweben lässt, bis ans Ende aller Tage." Er rülpste unterdrückt. „Und siehst du, was herauskommt, wenn man alle Probleme verdrängt? Eines Tages brechen sie über einen herein und zerstören alles." Dicke Tränen des Selbstmitleids kullerten seine Wangen hinab, verschwanden im Dickicht des von Speiseresten verunzierten Bartes. „Lemaha und Alexim haben es leicht. Als Händler besitzen sie die Freiheit, mit ihren Kamhalox umherzuziehen und die Diskrete Domäne kennen zu lernen. Mir hingegen bleibt dieser Weg versperrt. Stets war ich der Klügste des Dorfes, wurde hochgelobt und bereits seit meiner frühesten Jugend für das Amt des Dorfminsters vorgesehen." Traurig nieste er und lachte schließlich bitter auf. „Niemals durfte ich Noimblum verlassen und werde es wohl bis an mein Lebensende nicht schaffen. Du verzeihst also, wenn ich mir den Kummer wegsaufe und mir ab und zu eine kleine Ungerechtigkeit erlaube?"
Er war ein bedauernswerter Mann. Einer, der nicht gegen sein Pflichtbewusstsein ankam - und darunter litt, wie man nur leiden konnte.
Ich legte Dendio begütigend die Hände auf die schmalen Schultern und verließ die Festtafel. Niemand achtete auf mich; zu weit fortgeschritten war der Abend. Ich ging hinab zu einem kleinen Gewässer, das am Rande des Dorfes lag. Die Stechinsekten mieden mich. Ich warf einen flachen Stein ins Wasser, ließ ihn mehrmals über die Oberfläche tanzen. Das Schicksal des Dorfminsters berührte mich mehr, als ich zugeben wollte.
Es ähnelte zu sehr dem meinen.
*
Der Morgen dämmerte über Noimblum.
Ein kurzer, kräftiger Regenschauer ging über dem Land nieder. Bislang laut schnarchende Telomon flüchteten in ihre Häuser. Ich hingegen blieb stehen, streckte die Arme weit aus und genoss jeden einzelnen Tropfen auf meiner Haut. Ich wollte meine Sinne neu erfahren und schärfen. „Wir sollten den Durchgang jetzt nochmals versuchen. Immerhin hat sich der Ausflug für Lemaha und mich gelohnt. Wir haben während der Nacht gute Geschäfte gemacht." Alexim Afateh hielt sich den Kopf. Seine Augen waren zugeschwollen, sein Lächeln wollte nicht so richtig gelingen. „Freut mich. In Zukunft werdet ihr ohnehin wenig Gelegenheit haben, Reisen durch das Mesoport-Netz zu tätigen. Ich benötige eure Unterstützung."
Alexim wirkte mit einem Mal traurig. Ich verzichtete darauf, seine Laune mit meiner wiederentdeckten Gabe zu heben. Es erschien mir nicht richtig.
Dendio Bauchel schleppte sich im dünner werdenden Regen heran. Er streichelte Morris sanft über die Flanke und verabschiedete sich mit kräftigem Händedruck von den beiden Händlern.
Schließlich kam er zu mir, legte den Kopf weit in den Nacken, um mir in die Augen blicken zu können. „Für einen Fremden bist du schon in Ordnung", gab er zu. „Ich mag dich auch leiden." Ich atmete tief durch. „Denk daran, was ich dir gesagt habe. Ein wenig Freundlichkeit, ein Lächeln da und dort - und dein Leben wird einfacher."
Dendio winkte ab, trat, plötzlich verdrossen, gegen einen Stein. „Misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen, Großer."
„Ich kann nicht anders, mein Freund. Ich wurde nur aus diesem einen Grund geboren."
Ich setzte mich auf Morris und trieb ihm die Hacken in die Seiten. Ich wollte weg, nur weg.
*
Der Transfer klappte diesmal ohne Probleme. Gulver und Praehl tauchten ein weiteres kleines Dörfchen in grelles Licht, warfen zweifache Schatten. Der Weiler ähnelte Noimblum auf frappierende Weise.
Der Gemeindeschuppen hatte das gleiche Format, ebenso die kleinen Häuser. Die Luft hingegen roch und schmeckte anders.
Ich war zu Hause angelangt.
Unweit von hier, in östlicher Richtung, sah man das Rot der lemurischen Pyramidenbauten da und dort durch die Bäume schimmern. „Willkommen in Enduhaim", sagte Lemaha andächtig. Sie schmiegte sich an Alexim. „Dies hier ist unser Dorf."
„Das
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