Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
es?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Da rechts, genau im Osten. Schau hinaus, ganz, ganz hinaus!“
    „Das tue ich ja. Aber ich sehe nichts, als nur den Sand der Wüste, der vom Licht der sich neigenden Sonne leicht gerötet wird.“
    „Und dann? Noch weiter hinaus?“
    „Dann kommt der Himmel, der unten, wo er auf der Erde liegt, einen Glanz wie Silber zeigt.“
    „Dieses Silber ist nicht der Himmel, sondern das Meer. Stände die Sonne im Osten, so würde dieser jetzt lichte Streifen dunkel erscheinen; da sie aber im Westen steht, so sehen wir ihn im silbernen Licht. Wenn aber das Meer so nahe herangetreten ist, daß wir es bereits sehen können, so dürfen wir annehmen, daß wir bis zur Landenge nicht mehr zu weit zu reiten haben.“
    „Seit wann siehst du schon das Meer?“
    „Erst nur seit wenigen Augenblicken. Indem ich von dem Engel sprach, fiel mein Blick dort in die Ferne hinaus. Wenn wir uns nicht hier oben auf der Figur befänden, hätte ich es wohl noch gar nicht bemerkt. Steigen wir hinab und reiten wir weiter!“
    Unten von der Erde aus war die See allerdings kaum mehr zu sehen, aber je weiter wir nun kamen, desto näher trat sie uns. Ihr Streifen wurde breiter und breiter, verlor aber dadurch seinen Silberglanz. Man sah, daß das, was dort lag, eine Wasserfläche war. Bald bemerkte man auch, daß sie sich in Bewegung befand. Es schien, als ob sie atme. Auch der Boden unter uns veränderte sich. Der Sand begann, sich in Grus und Geröll zu verwandeln, und dieses vermischte sich nach und nach mit Steinbrocken, die an Größe immer mehr wuchsen. Es erschienen Felsenstücke, die zerstreut im weiten Kreis umherlagen, bald aber sich einander näherten und dabei zur Höhe wuchsen. Das alte, eigentliche Flußbett trat mit größerer Deutlichkeit hervor als bisher. Es war steil und tief und von Blöcken besät, deren abgerundete Kanten Zeugnis dafür ablegten, daß sie in früheren Zeiten mit dem Wasser in langer Berührung gestanden hatten. Die Ufer wurden von Felswänden begleitet, deren Höhe sich immerwährend vergrößerte. Sie bildeten Hügel, dann sogar Berge, die sich kulissenförmig ineinanderschoben und das Auge verhinderten, einen freien Ausblick nach rechts oder links zu suchen. Wir konnten also das Meer nicht mehr sehen, aber das Grün, mit dem diese Felsenzüge bewachsen waren, deutete seine Nähe an. Ohne die Feuchtigkeit der See wäre diese Vegetation unmöglich gewesen. Sie bestand allerdings nur aus Salzstauden, Gestrüpp und niedrigen Büschen; ein Baum war nicht zu sehen.
    Wir mochten wohl eine Viertelstunde lang zwischen diesen Höhen dahingeritten sein, als sie ganz nahe aneinandertraten und eine Stelle bildeten, welche genauso aussah, als ob ein Geschlecht von Giganten hier vor Tausenden von Jahren aus riesigen, roten Felsstücken einen Tunnel gebaut habe, um die Landenge quer abzuschließen, dabei aber dem Wasser des Flusses die Fortsetzung seines Weges zu gestatten. Einem der größten Quader waren die Worte eingegraben ‚Fum eß Ssachr‘, was soviel wie ‚Felsenmündung‘ oder ‚Felsenloch‘ bedeutet. Der Durchmesser dieses Lochs war höchstens fünf oder sechs Schritte größer als die Breite des Flußbettes. Zu beiden Seiten aber stiegen die Felsen so steil in die Höhe, daß es nur an einer einzigen Stelle möglich war, zu Fuß emporzuklettern. Das letztere taten wir, nachdem wir von den Pferden gestiegen waren. Der Zweck, der uns hierhergeführt hatte, machte es uns zur Pflicht, gerade diesen wichtigen Teil der Gegend so genau wie möglich kennenzulernen. Die beiden Hunde Halefs blieben bei den Pferden, ohne daß wir es ihnen besonders zu befehlen brauchten. Als aber die meinen sahen, daß es sich um eine Kletterpartie handele, gaben sie ihrem Wunsch, mitzudürfen, in zwar nicht lauter, aber doch so bittender Weise zu erkennen, daß ich ihn erfüllte. Unser Ziel lag hoch oben im Bergland, und so wollte ich gern sehen, was sie für Kletterer seien. Sie machten mir Freude. Kaum hatten sie die Erlaubnis bekommen, so schnellten sie uns voran von Kante zu Kante, von Zacke zu Zacke die in steilem Winkel ansteigenden Felsen hinan, nicht laut, sondern still, und nicht etwa unvorsichtig und unbedächtig, sondern von Schritt zu Schritt vorausschauend und überlegend, wo leichter und sicherer Fuß zu fassen sei, hier oder an einer anderen Stelle. Es war, als ob sie sich die Aufgabe gestellt hätten, den besten Weg für uns zu suchen, und als wir ihnen folgten, sahen wir allerdings,

Weitere Kostenlose Bücher