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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Beide, Platte und Falte, bildeten vielmehr ein Ganzes; sie gehörten zusammen. Das war es, was ich erst jetzt gesehen hatte, und dann allerdings auch noch etwas anderes dazu. Halef kam meiner Aufforderung nach und zählte die Seiten des Viereckes, indem er auf die sichtbar gewordenen Umrisse deutete:
    „Hier die erste; hier die zweite; hier die dritte, und hier –“
    Da hielt er inne, denn nun sah auch er, daß die Platte nicht aufhörte, wo sie die Falte erreichte, sondern mit ihr ein Ganzes bildete.
    „Sihdi, sie hat nur drei; die vierte fehlt“, fuhr er fort.
    „Sie fehlt nicht; nur ist sie an einer anderen Stelle, nämlich höchstwahrscheinlich weiter oben, quer über die Falte“, antwortete ich. „Wir haben bisher nicht beachtet, daß auch der Saum dieser Falte über einen Meter hinauf mit der künstlichen Sandkruste überzogen ist, die wir von der Platte zu waschen hatten.“
    „Maschallah!“ rief er aus, indem er die Stelle betrachtete und befühlte. „Das ist richtig! Also Wasser her, Wasser! Wir wollen uns sofort Gewißheit schaffen!“
    Er griff wieder zum Schlauch, benetzte die Falte mit Wasser und scheuerte dann die Kruste weg. Da geschah, was ich erwartet hatte. Es erschienen die bisher verborgenen Umrisse, und nun sah man ganz deutlich, daß die Platte nicht eine gerade Fläche, sondern einen rechten Winkel bildete und halb zum waagrecht liegenden Fußboden, halb aber zur senkrecht auf ihn stoßenden Falte des Gewandes gehörte. Sie ruhte da, wo sie den Winkel bildete, wahrscheinlich auf einer im Loch befestigten Achse, auf der sie sich bewegte. Ihre aufrecht stehende Hälfte war genau so hoch wie die Breite oder Länge ihres waagrecht liegenden Teils. Es war also anzunehmen, daß beide einander das Gleichgewicht hielten und es eines gar nicht bedeutenden Druckes bedurfte, den Schwerpunkt zu verlegen und die Platte dadurch zu bewegen, daß man den aufrechten Teil in das Innere der hohlen Falte drückte und dadurch den liegenden Teil in die Höhe hob. Es machte mir Spaß, dies nicht selbst zu tun, sondern es Halef tun zu lassen. Er stand vor der Gewandfalte, betrachtete sie und sagte:
    „Sihdi, deine Wissenschaften sind doch vielleicht nicht ganz so dumm, wie ich dachte; aber daß auch ein Teil des Gewandes dieses Engels mit zum Brunnendeckel gehört, darauf bist du nur durch mich gekommen. Was soll nun geschehen?“
    „Schiebe den Teil des Deckels, der zur Falte gehört, in die Falte hinein!“ forderte ich ihn auf.
    Er versuchte, es zu tun, brachte es aber nicht fertig, weil er auf dem andern Teil des Deckels, der gehoben werden sollte, stand.
    „Es geht nicht, Sihdi“, sagte er. „Wie kommst du überhaupt auf die Idee, daß hier etwas hineingeschoben werden kann?“
    „Tritt vom Deckel herunter, auf die Seite, und schieb noch einmal!“ antwortete ich.
    Er tat es und schrie fast erschrocken auf, als der Teil des steinernen Gewandes, den er berührte, unter seinem Druck wich und nach innen ging, während die waagrechte Hälfte des Deckels zu seinen Füßen sich aus dem Boden hob und nun das Brunnenloch zu sehen war, nach dem wir trachteten. Nie habe ich bei ihm ein so erstauntes, ja fast betroffenes Gesicht gesehen wie jetzt, in diesem Augenblick. Er starrte mich, das viereckige Loch in der Falte und die Brunnenöffnung abwechselnd an, blieb eine Zeitlang offenen Mundes stumm und jubelte dann:
    „Hamdullillah! Das Loch ist gefunden! Sihdi, du bist ein Zauberer, ein Hexenmeister! Zwar, deine Wissenschaften taugen alle nichts, doch bist du glücklicherweise zuweilen so klug, deine eigenen Gedanken zusammenzunehmen, und dann sind wir immer, besonders wenn ich auch die meinigen dazu gebe, eines guten Erfolges sicher. So auch hier! Schiebe ich die Falte ganz hinein?“
    „Ja.“
    Indem er den quadratischen Teil der Falte, welcher beweglich war, in diese hineinschob, wurde der andere Teil, welcher den eigentlichen Brunnendeckel bildete, so völlig in die Höhe gehoben, daß sich das Brunnenloch vollständig öffnete. Wir schauten hinein. Es führten Stufen hinunter, feste, steinerne Stufen, von rechts nach links in den harten Fels gehauen. Sie waren fast gar nicht feucht, und die kühle Luft, welche aus dem Innern stieg, zeigte nicht die geringste Spur von Moder und ähnlichen Dingen. Halef wollte sofort hinabsteigen. Ich hielt ihn aber zurück, um ihn auf das Gebahren unserer Hunde aufmerksam zu machen, welche mit lautem, freudigem Bellen an dem Felsen emporsprangen.
    „Schau! Sie

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