24 - Ardistan und Dschinnistan I
daß wir nicht klüger hätten wählen können als sie. Und dabei trugen sie ihre vollen Packsättel auf dem Rücken! Wir hatten noch nicht den vierten Teil des Aufstiegs hinter uns, so standen sie schon oben auf der höchsten Felsenkante, gerade senkrecht über dem ‚Fum eß Ssachr‘, eng nebeneinander und mit den Schweifen uns die Bitte zuwedelnd, ihnen doch schnell nachzukommen. Andere Hunde hätten gebellt oder wenigstens Laut gegeben; sie aber taten das nicht; sie waren von echtem Adel und, wie wir gesehen haben, auch streng erzogen.
Es gab eine Überraschung, die uns da oben erwartete. Wir befanden uns auf der Ostseite. Noch hatten wir die Höhe nicht ganz erklommen, so traten da, wo wir waren, die Spitzen der Felsen auseinander, und was sahen wir vor uns liegen? Das Meer, das Meer, das weite blaue Meer, welches inzwischen ganz zu uns herangetreten war, ohne daß wir es hatten bemerken können. Und als wir den höchsten Punkt erreichten, wo die Hunde auf uns warteten und nun auch die andere Seite vor uns lag, schrie Halef vor Verwunderung laut auf, denn auch da war inzwischen das Meer erschienen und, einen jähen, tiefen Einschnitt des Landes benutzend, so schnell und so nahe zu uns herangekommen, daß es nun gerade und genau zu unseren Füßen lag.
„Die See! Das Meer! Der Ozean!“ rief Halef aus, die Hände zusammenschlagend. „Hältst du das für möglich, Sihdi? Hast du dir das gedacht? Das herrliche, blauwallende Wunder ist da! Nicht bloß hier, sondern auch dort! Auf beiden Seiten! Und was ist das da draußen, ganz im Norden? Es sieht aus wie ein Baum von so riesiger Höhe, daß er bis zum Himmel ragt. Man sieht den Stamm, und man sieht auch die Krone, die er trägt. Es scheint, als ob Bewegung in ihr sei!“
„Das ist die Rauchsäule der Vulkane von Dschinnistan“, antwortete ich.
„Welche des Nachts zur Feuersäule wird, ganz so, wie es im heiligen Buch und von dem Volk Gottes geschrieben steht! Der Herr ging ihm voran, des Tages in einer Rauch- und des Nachts in einer Feuersäule. Und schau, wie sonderbar! Dies Tor, gerade vor uns! Es scheint, genau wie diese unsere Sperre, auf deren Höhe wir uns jetzt befinden, auch die ganze Breite der Landenge einzunehmen. Wir können nicht weiter, weder nach hüben noch drüben; wir müssen wieder hinab, woher wir emporgestiegen sind.“
Das ‚Tor‘, von dem er sprach, lag grad im Norden von uns, vielleicht eine halbe Wegstunde entfernt. Es war gewiß auf ganz natürliche Weise entstanden, hatte aber auch das Aussehen, als ob es ein Werk von Menschen- oder vielmehr von Titanenhänden sei. Eine hohe, festgefügte Mauer lag quer über der Enge, von Küste zu Küste, von Wasser zu Wasser. Grad in der Mitte der Landzunge ging eine einzige Lücke von oben nach unten durch diese Mauer. Sie war so breit, daß einst der Fluß und neben ihm ein schmaler Weg hindurchgekonnt hatten. Oben lag eine Felsenplatte querüber, auf der es einige Büsche und eine von uns aus winzig erscheinende Erhöhung gab, die man für einen Steinhaufen halten mußte. Wenn diese Mauer keinen andern Durchlaß hatte, als nur die Mittelspalte, die wir sahen, so war der Raum zwischen uns und ihr die vortrefflichste Falle für die Tschoban. Als ich dem Hadschi das sagte, stimme er mir gern bei. Leider war es für heut zu spät, noch bis dorthin zu kommen. Die Sonne stand bereits am Horizonte, und die Nacht bricht in jenen Gegenden so schnell herein, daß es uns gar nichts genutzt hätte, uns zu beeilen. Wir hätten die Mauer höchstens erreicht, aber doch keine Zeit gefunden, sie noch heute zu untersuchen. Wir begnügten uns also damit, festzustellen, daß es wenigstens hier am ‚Felsenloch‘ kein anderes Durchkommen gab als eben nur durch dieses Loch. Dann stiegen wir wieder hinab, um unten die Passage zu betrachten.
Sie war, wie schon gesagt, so eng, daß, wenn der Fluß Wasser gehabt hätte, nur ein vielleicht drei Meter breiter Weg geblieben wäre, um durch das Loch zu kommen. Dieser Weg war wohl fünfzig Schritte lang; er ging durch Felsen, war also unterirdisch, verlief aber so frei, daß er auf seiner ganzen Strecke mit Kugeln bestrichen werden konnte. Die unten im Flußbett verstreut liegenden großen Steinblöcke boten zwar einigen Schutz gegen Schüsse, aber nur vereinzelten Personen, nicht etwa ganzen Ansammlungen von Menschen. Das war uns sehr günstig.
Wir stiegen wieder auf und ritten durch das Loch. Jenseits desselben war es unmöglich, die Höhe zu ersteigen, und zwar
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