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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Heute, in diesem Augenblick, ist nicht die Zeit, über diese Fragen viele Worte zu machen. Worte tun es überhaupt nicht, sondern Taten müssen geschehen. Ihr habt Kriegswissenschaften, theoretische und praktische. Und ihr habt Friedenswissenschaften, theoretische, aber keine praktischen. Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch. Ihr habt stehende Heere für den Krieg, die jährlich viele Milliarden kosten. Wo habt ihr eure stehenden Heere für den Frieden, die keinen einzigen Para kosten, sondern Milliarden einbringen würden? Wo sind eure Friedensfestungen, eure Friedensmarschälle, eure Friedensstrategen, eure Friedensoffiziere? Mehr will ich jetzt nicht fragen. Denn alle, alle diese Fragen werden sich in Ardistan vor dir erheben, und die Antworten werden dir in Dschinnistan erscheinen, doch nur dann, wenn du die Augen offenhältst. Dein Ritt nach diesen beiden Ländern ist ein Studien- und ein Übungsritt, und was du dir da geistig aneignest, das betrachte als meinen Dank für die Bereitwilligkeit, mit der du meinen Auftrag übernimmst. Diese beiden Länder werden dir ein ziemlich treues Bild der Erde bieten, der Erde, ihrer Bewohner und aller möglichen Verhältnisse, in denen die Völker zueinander stehen. Und wenn dir da Rätsel begegnen, die du nicht lösen kannst, so denke an das Bild, welches ich dir jetzt entwerfe.“
    Sie machte eine langsame, andeutende Armbewegung nach dem Osten und fuhr dann fort:
    „Da hinten ist die gelbe Rasse aus einem langen, tiefen Schlaf erwacht. Sie regt nur erst die Glieder. Sie beginnt erst, frei zu atmen. Wehe, wenn sie, ihre Kräfte fühlend, vom Lager aufspringt, um zu zeigen, daß sie genauso wie andere berechtigt ist, zu leben!“
    Hierauf zeigte sie nach dem Westen und sprach weiter:
    „Da drüben liegt Amerika, das ihr so falsch als ‚Neue Welt‘ bezeichnet. Dort lebt der rote Mann, von dem ihr meint, daß er dem Untergang gewidmet sei. Ihr irrt. Dieser rote Mann stirbt nicht. Kein Portugiese, kein Spanier, kein Englischmann, kein Yankee hat die Macht, ihn auszurotten. Und der Deutsche geht nicht hinüber, um des Indianers Feind zu sein. Sie haben beide das, was wohl kein anderer hat, nämlich Gemüt, und das wird sie vereinen, der sogenannte ‚sterbende‘ Indianer wird wieder aufstehen. Es gibt ein übermächtiges, weltgeschichtliches Gesetz, welches befiehlt, daß der mit dem Schwert Besiegte mit dem Spaten dann der Sieger sei. Der gegenwärtige Yankee wird verschwinden, damit sich an seiner Stelle ein neuer Mensch bilde, dessen Seele germanisch-indianisch ist. Diese neue amerikanische Rasse wird eine geistig und körperlich hochbegabte sein und ihren Einfluß nicht auf die westliche Erdhälfte allein beschränken. Sie wird sich aller geistigen Triebkräfte des Abendlandes bemächtigen, und wehe dem alten Europa, wenn es dem nichts anderes entgegenzusetzen hat, als nur die alten Vorurteile, die alte Selbstüberhebung, die alten Kultursünden und – die alten Kanonen! Denn auch der Orient beginnt schon, sich zu regen. Er streckt die Glieder; er prüft die Muskeln, die Gelenke. Er glaubt, was Japan konnte, das könne er auch! Der Riese Islam, dessen mächtige Gestalt auf europäischer, asiatischer und afrikanischer Erde ruht, fürchtet sich nicht vor der scheinbaren Übermacht des Abendlandes. Das Kismet, an welches er glaubt, ist unwiderstehlich im Angriff und von unendlicher Ausdauer. Es wiegt die Übermacht der europäischen Waffen auf. Gebt dem Morgenland gute Führer, so wird es siegen. Und siegt es nicht, so wird sein Untergang zugleich der eure sein. Die gelbe Rasse wird sich dann mit der germanisch-indianischen in die Herrschaft über die Erde teilen. Und warum? Weil das Abendland nicht groß, gerecht und edel genug war, seine angeblichen ‚Interessensphären‘ einer humanen Nachprüfung zu unterwerfen und sich mit dem Morgenland auszusöhnen!“
    „Sich mit dem Morgenland auszusöhnen?“ fragte ich. „Das ist falsch. Es muß heißen, das Morgenland mit sich auszusöhnen, denn nicht das Abend- sondern das Morgenland ist der beleidigte, der schwer gekränkte, der unterdrückte Teil. Fast alles, was das Abendland besitzt, hat es vom Morgenland. Seine Religion, seine Kunst, seine Wissenschaft, seine ganze Bildung und Gesittung, seine Zerealien, seine Früchte. Den ganzen Grund und Boden seines äußeren und inneren Lebens. Und was es nicht unmittelbar von ihm hat, dazu ist doch wenigstens der

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