Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2406 - Die Kristall-Annalen

Titel: 2406 - Die Kristall-Annalen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Kern seines doppelten Selbst ihre Standarte auf, unterwarfen ihn wieder dem Imperium der Qual.
    Er kapitulierte.
    Nur halb bewusst nahm er wahr, dass sein grotesker Leib schreiend über den Boden rollte, die ungleichen Arme um sich schlugen, Dinge aus dem Haufen von Gerümpel griffen, das ihn umgab, und in hilfloser Wut durch den Raum schleuderten.
    Da bekam er etwas zu fassen, was anders war. Etwas, das auf seine Parakräfte ansprach, das vielleicht durch diese Kräfte geweckt worden war.
    Übergangslos hatte er das Gefühl, in einem Innenraum zu stehen, einer Krypta. Die Wände waren aus unendlich dünnem Glas; im Glas regten sich schattenhaft einige Gestalten.
    Er streckte beide Hände aus und berührte das Glas. Ein langer Seufzer entfuhr den dualen Mündern, denn der ewige Schmerz ließ nach, wurde förmlich abgesaugt, ging durch die Finger in die gläserne Wand über.
    Der Dual spürte das Leid, das seine Schmerzen diesem Stoff antaten. Hunderte von Schatten bewegten sich an der Wand – oder darin. Sie huschten zur Seite, überlagerten sich. Ekatus Atimoss wand sich nach links, dann nach rechts – kein Zweifel: die Schatten wichen ihm aus.
    „Wer seid ihr?", fragte er.
    Er hatte auf keine Antwort gehofft und staunte, als sie ihm gegeben wurde: „Alle meine Leben setzte ich ein, ein jegliches zu retten. Alle Leben habe ich verloren, inbegriffen meines. Du bist der Mörder so vieler, und es ekelt mich deine Anwesenheit. Doch da du lebst und leidest, bleibt mir nichts, als dir zu helfen, da ich alle Leben einsetze, ein jegliches zu retten."
    Da lag er wieder auf dem Boden, den Graphen Avalthani in der Hand. Er stöhnte; nicht mehr vor Schmerz, sondern aus Erleichterung über dessen Erlöschen.
    „Wir kennen uns. Wir haben gegeneinander gekämpft. Ich habe gesiegt", flüsterten die beiden Münder.
    „Ich will es nicht hören ...", raunten die Schatten in der Krypta. Er spürte ihre Qual.
    Da begann der Dual zu erzählen. Er erzählte, was ihm von der Schlacht im Sektor Bant Liporim Banrat in Erinnerung geblieben war, seine von Schmerz getrübten Erinnerungen. Die Schatten nahmen sie auf, sortierten sie, setzten sie zusammen, heilten.
    Nach vielen Stunden erhob sich der Dual. Hatte der Terminale Herold gewusst, was er ihm da übergeben hatte?
    Und wenn ja: Warum hatte er den Graphen als wertlos bezeichnet? Weil er den Schmerz nicht kannte oder ihm und seiner Linderung keinerlei Bedeutung zumaß?
    Gleichgültig.
    Hier war das Instrument, das insbesondere für die Ekatus-Komponente von unschätzbarem Wert war. Der Dual begriff nicht, wie der Graph funktionierte. Aber er würde diesen Schlüssel zu seiner Heilung nicht aus der Hand geben, um seine Wirkungsweise von den Technikern der Kolonne untersuchen zu lassen. Entscheidend war nicht, wie, sondern dass er wirkte.
    Nach und nach speiste Ekatus alles in den Graphen ein, was ihm an Erinnerungsfetzen geblieben war. Der Graph webte daraus ein Ganzes, ein zweites Gedächtnis, eine Art Download der Ekatus-Persönlichkeit.
    Manche Erinnerungen erwiesen sich als weitgehend unzugänglich. Alles, was den Zeithorizont seiner Existenz in der Negasphäre betraf, lag derart in Trümmern, war so stark verkapselt, dass Ekatus zu der Überzeugung kam, irgendetwas habe dieses Gedächtnis mutwillig und planmäßig zerstört.
    Alles das aber, was er in dualer Zustandsform erlebt hatte, ließ sich defragmentieren. Seine Feldzüge, seine Eroberungen, seine Strafexpeditionen im Auftrag der Terminalen Kolonne – der Graph nahm sie auf, wie widerwillig, wie voller Ekel auch immer.
    Ekatus überwand diese Widerstände, ja zunehmend erfuhr er Lust in der Überwindung des fremden Willens.
    Diese Lust trieb ihn bald ebenso an wie die Notwendigkeit, seinen immer schneller zerrütteten Geist durch das Hochladen des externen Gedächtnisses zu rekonstruieren und für einige Zeit zu stabilisieren.
    Die Versuchung wuchs, ganze Tage mit oder auf parapsychische Weise in dem Graphen zu verbringen, sich dort zu entladen und gleichzeitig zu regenerieren.
    Die Atimoss-Komponente beobachtete diese Entwicklung einerseits mit Sorge, denn es war unverkennbar, dass Ekatus längst süchtig war. Andererseits profitierten auch sie und das Duale von dem erzwungenen Liebesdienst des Graphen. Also unterstützte Atimoss seinen dualen Partner beim Bau eines Sicherungssystems, das den Diebstahl des Graphen für alle Zeiten unterbinden sollte.
    Das System verhinderte sogar, dass der Dual selbst den Graphen

Weitere Kostenlose Bücher