2406 - Die Kristall-Annalen
Vergessenheit endeten, an den Rand einer tief verschatteten Zone.
Die Gischt eines Zeitregens. Odonische Techno-Testate. Ferne, schreckliche Sonden aus einer anderen Welt, die sich in das Firmamentsegel gruben wie Diamanten, die in Glas schneiden.
Alles gefärbt von einem Schmerz, der ihm selbst vertraut war aus alter Zeit, ein Schmerz, der verbunden war mit seiner zerstörten Heimatwelt, die die Terraner Tramp genannt hatten und deren wirklichen Namen er ihnen nie verraten hatte, bis heute nicht ...
„Sehnsucht treibt ihn an", sagte er.
„Eine Sehnsucht, wie du sie nicht gut verstehen kannst."
Rhodan hob fragend die Augenbrauen: „Die du aber verstehst?"
Der Ilt nickte: „Sehnsucht nach einer verlorenen Heimat."
Rhodan schüttelte nachdenklich den Kopf. Manchmal war es besser, den Gegner nicht zu gut zu kennen, sonst rückte er zu nah.
Gucky sondierte weiter. „Ich lese gerade die wahre Geschichte der laosoorschen Mond-Sphären. Ziemlich bitter.
Wenn man sie veröffentlicht, wird sie dem Dual keine neuen Freunde gewinnen. Und die Zukunftspläne, die er für die LAOMARK hegt ..."
Der Commander, Limbox und Vizquegatomi fixierten den Ilt. Der überging die stummen Fragen in ihren Blicken.
„Der Graph ist nicht nur Archiv und Archivar", erklärte er stattdessen. „Der Geist des Duals ist zerrüttet, wenigstens seine Ekatus-Komponente. Das ist der schildkrötengesichtige Part. Sein Geist fragmentiert sich, und dieses Tagebuch hier hilft ihm, sich zu rekonstruieren. Ohne den Graphen ..."
Er zögerte. Perry Rhodan nickte ihm zu, und er fuhr fort: „Ohne den Graphen könnte seine Psyche völlig zerfallen."
„Gut zu wissen", befand Rhodan.
„Unsere Strategen werden nach Wegen suchen, wie wir uns diesen Zerfall zunutze machen können."
Gucky konzentrierte sich wieder auf den Graphen und übermittelte dessen Botschaft: „Der Graph dankt dir für die Befreiung."
„Gern geschehen. Ich hatte allerdings eher den Eindruck, dass er sich selbst befreit hat und zu uns übergelaufen ist."
„Deine Ritter-Aura war hilfreich."
Rhodan nickte wieder; er hätte es sich denken können. Manchmal hatte er den Eindruck, dass die Aura ihn zu einer Art Universalschlüssel gemacht hatte. Wenn nur nicht immer wieder der Verdacht in ihm aufkeimen würde, dass er nicht derjenige war, der die Schlösser öffnete, sondern nur das Werkzeug dazu.
Wen geleite ich da von Schwelle zu Schwelle? Wen trage ich durch die Türen; wohin?
„Neuigkeit", meldete sich Gucky wieder. „Der Graph diente bis vor wenigen Jahrzehnten als Heimstatt einer höheren Wesenheit namens AVALTHANI – wenn auch in anderen Dimensionen. Von diesem Wesen existieren Reste, ein mentales Kondensat. Es gestattet ausdrücklich sämtlichen Vertrauenspersonen des verehrten Aureninhabers – womit es dich meint –, das Tagebuch des Ekatus Atimoss zu studieren. Wer immer über paranormale Fähigkeiten verfügt, kann zugreifen.
Tag des offenen Tagebuchs sozusagen."
Rhodan grinste. Wer immer über paranormale Fähigkeiten verfügt – damit waren die Annalen für alle Laosoor zugänglich.
„Greift zu", lud Rhodan die drei Laosoor ein.
Sie schlossen die Augen, Pothawk senkte mit den Ohrenhänden zusätzlich die dunkle Lichtbrille.
Nach einigen Minuten kehrten sie mental aus dem Archiv zurück. Sie schwiegen.
„Nun?", fragte Rhodan.
Limbox richtete sich auf. „Das besiegelt das Ende der Allianz zwischen den Laosoorkönigen und dem Auftraggeber. Das Ende der Knechtschaft."
„Wir haben nichts als Worte, nur eine Geschichte, die wir nacherzählen", murmelte Pothawk. „Nur die Geschichte."
Rhodan lächelte. „Wir haben viel mehr als das: Wir haben die wahre Geschichte."
„Macht das einen Unterschied?", fragte der Commander.
Rhodan sah ihn an: „Ja, es macht einen Unterschied. Denn wenn man ihr Zeit lässt, gibt es keine stärkere Waffe als die Wahrheit. Und diese Waffe haltet ihr jetzt in der Hand."
*
12. Mai 1346 NGZ relative Bordzeit der JULES VERNE, 20.059.813 vor Christus.
Im Zentrum der Sphäre LAOMARK hing CHEOS-TAI, der geraubte GESETZ-Geber, golden und rund wie das Ziffernblatt der Ewigkeitsuhr; ohne Ziffern; ohne Zeiger; schiere Zeit...
ENDE
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