247 - Der Kerker der Pandora
Gegenteil, sie erinnerten ihn nur daran, dass sein daa’murischer Ziehvater und dessen Volk schuld an der Misere waren, die jetzt einen Strich durch all die gut durchdachten Pläne machte, denn GRÜN war erst durch deren Experimente entstanden. »Ihr verblödeten Echsen habt mir mein Leben versaut!«, beschimpfte er seinen Mentor. »Wie alt werde ich sein, wenn ich wieder aufwache? Vielleicht schon ein Greis? Ist es so, Grao? Werde ich diesmal sterben?«
Als der Daa’mure nicht antworten wollte, breitete Daa’tan über die Stelle mit der Bodenkerbe Decke und Laken aus. »Also gut, dann wirst du mir dabei zusehen müssen.« Er legte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme. »Sieh dir nur an, was du und deine Sippe angerichtet habt.«
Doch sein Ziehvater reagierte nicht. Sein mächtiger Echsenschädel verschwand von der Schartenöffnung und nur unverständliche Laute waren aus der Nachbarzelle zu hören. Daa’tan stieß wüste Verwünschungen aus. Aber auch die brachten Grao nicht an die Sichtschlitze zurück. Schließlich gab Daa’tan auf. »Du wirst schon sehen. Wenn ich nicht mehr bin, hast du niemanden mehr auf diesem verfluchten kalten Planeten. Ganz alleine wirst du sein. Ganz alleine!«, krähte er mit heiserer Stimme.
Danach wurde es still in dem Zellentrakt. Schweißausbrüche peinigten Daa’tan. Sein Herz raste. Es pochte so heftig gegen sein Brustbein, dass er es mit der Angst zu tun bekam. Ich darf jetzt nicht sterben! Nicht bevor ich mir Wimereux-à-l’Hauteur zurückgeholt habe! Nicht bevor ich Mefjuu’drex getötet habe!, schrie es in seinem Inneren.
Und dann tat er etwas, das er noch nie getan hatte: Er betete. Betete, wie er es schon Dutzende Male bei den Menschen beobachtet hatte. Da ihm weder deren Gottheiten, noch die der Daa’muren zusagten, entwarf er sich einen neuen, eigenen Gott. Daa’mur nannte er ihn. Eine Gestalt aus Dornenranken und schuppigen Pranken, in denen sie ein glühendes Schwert hielt.
»Wenn du mich das hier überleben lässt, dann… dann… schenke ich dir das Schwert meiner Mutter«, versprach der Junge inbrünstig, bevor er in völlige Starre verfiel.
Als er vor einigen Tagen gesund und sehr lebendig aus seiner Wachstumsphase erwachte, war er nicht nur erleichtert, sondern auch stolz auf sich gewesen. Es hat gewirkt, dachte er, dieser Daa’mur funktioniert.
Und auch die Umsetzung von Daa’tans Plänen funktionierte. Es war ihm tatsächlich gelungen, in der Zeit, in der er wach dalag, alle zu narren mit seiner »Noch-in-Starre-Vorstellung«. Sogar Grao hatte nichts bemerkt. Weder sein Erwachen, noch seine heimlichen Aktionen, in denen er mit bloßen Fingernägeln den Riss unter seinem Lager bearbeitet hatte und darin die erbeutete Nuss austreiben ließ. Den anfallenden Betonstaub hatte er dann mit Speichel gemischt und das Loch wieder damit verschlossen.
Während jetzt Dr. Aksela die Blutdruckmanschette von seinem Arm löste, erfüllte Daa’tan Zufriedenheit und Genugtuung. Ich brauche niemanden. Diesmal erobere ich Wimereux-à-l’Hauteur ohne fremde Hilfe. Du wirst schon sehen, Mefjuu’drex! Er wollte seinem Vater einen furiosen Empfang bereiten. Einen Empfang, den der Mistkerl als letzte Erinnerung seines armseligen Lebens mit ins Grab nehmen würde.
Doch dazu brauchte er Kraft. Es wurde Zeit, seine gespielte Starre zu beenden und Wasser und Nahrung zu sich zu nehmen. Von dem Gespräch zwischen Kaiser und Albino hatte er das Wesentliche gehört. Von dem Rest bekam er sowieso nur noch Bruchstücke mit. Einigen Wortfetzen De Roziers entnahm er, dass der Herrscher bald heiraten wollte. Daa’tan verstand den Namen der Auserkorenen nicht; nur, dass die anderen Frauen ihm Ärger wegen seiner neuen Braut bereiteten. Außerdem gab es Probleme mit irgendeinem Flugwesen, das östlich des Victoriasees sein Unwesen trieb.
Geschieht ihm recht, dachte Daa’tan und begann mit seinen Augenlidern zu flattern. Doch obwohl mindestens vier Personen um ihn herum wuselten, schienen seine Bemühungen, den Erwachenden zu spielen, keinem aufzufallen. »Bringt frische Decken und die neuen Kleider!«, hörte er Dr. Aksela rufen. Schritte knirschten und scharrten über den herumliegenden Sand. Zuckend entkrampfte Daa’tan seine Glieder. »… meine Jäger verfolgten es über die Grenze nach Kenyaa. Sie behaupten, es handelte sich um einen fliegenden Rochen, den sie da über dem Fluss abgeschossen haben…«, vernahm er von oben die Stimme des Kaisers.
Ein fliegender
Weitere Kostenlose Bücher