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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Rulfan glaubte sich verhört zu haben. Matthew Drax’ Sohn lag im Sterben? Sekundenlang saß er reglos auf seiner Baumwurzel und beobachtete, wie der Riesenvogel mit dem kaiserliche Boten zur Landung ansetzte. Bei Wudan, waren die Verletzungen, die die Valvona Daa’tan zugefügt hatte, doch schlimmer gewesen, als es zunächst den Anschein hatte? Dem Mann aus Salisbury wurde heiß und kalt bei diesem Gedanken. Wie in Trance erhob er sich und trat die Glut des heruntergebrannten Feuers aus.
    Während er sein Kochgeschirr, Decke und Umhang in einem Lederbeutel verstaute, jagten ihm die Vorfälle der vergangenen Wochen in glasklaren Bildern durch den Kopf: Aldous, der Schamane, der mit seinem riesigen Laufvogel in Taraganda aufgetaucht war. Rulfan erinnerte sich noch genau an das Rotgrau des Himmels an jenem Morgen und an den Nebel, der in den dichten Baumkronen über der Ruinenstadt hing. Es duftete nach blühenden Akazien und den unzähligen Kräutern aus Lörks Garten. Lay begrüßte ihn und den neuen Tag mit ihrem unnachahmlichen Lächeln. Sie küsste und herzte ihn, während ihr ständiger Begleiter Zarr das Ganze mit missmutigem Grunzen bedachte.
    Und dann stand dieser kleine Mann mit seinem komischen Vogel vor ihm. Aldous! Mit Augen, die wie grauer Schiefer leuchteten, und einer Stimme aus Samt eroberte er nicht nur die Herzen der Bewohner von Taraganda, sondern gewann auch Rulfans Sympathie. Als der jetzt daran dachte, krampfte sich ihm der Magen zusammen. Noch immer brannte der Blick des Schamanen in den verborgenen Ecken seines Geistes. Listig und tückisch hatte Aldous ihn aus dem Paradies Taragandas nach Wimereux-à-l’Hauteur gelockt. Beeinflusst von den hypnotischen Fähigkeiten des Zauberers und dessen hundsgemeinem Cannuspulver, war Rulfan nur noch von einem Gedanken beseelt gewesen: Töte Daa’tan!
    Obwohl er sich letztendlich und gerade noch rechtzeitig mit Victorius’ Hilfe dem Einfluss des Schamanen entziehen konnte, hatte dessen Wirken tiefe Spuren in dem Mann aus Salisbury hinterlassen. Nichts schien mehr zu sein wie zuvor, auch nicht sein Aufenthalt in Afra und sein Zusammenleben mit Lay. Verborgene, aber durchaus vorhandene Zweifel und Sehnsüchte waren ans Licht gezerrt worden und ließen den Albino nachts nicht mehr schlafen: Er wollte Lay, er wollte Menschen wie Matt Drax an seiner Seite, er wollte das Abenteuer, und er sehnte sich nach Euree. Doch alles zusammen konnte er nicht haben.
    Fast wütend griff der Neo-Barbar nach seinem Säbelgurt, der an einem herunterhängenden Ast leicht im Wind schaukelte. »Ich habe das Chaos in dir geordnet… ich ließ nur das wachsen, was sowieso schon da war«, hatte Aldous beim Abschied gesagt. Rulfan spürte nichts von Ordnung in sich. Im Gegenteil, sein Innenleben schien chaotischer als je zuvor. Überhaupt, woher wollte der Alte denn wissen, wie es in ihm aussah? Nichts als Ärger hatte der Schamane ihm gebracht. Wegen Aldous und seinem Mordanschlag auf Daa’tan hatte Rulfan einen Tag in einer Gefängniszelle von Wimereux verbringen müssen. Wegen ihm war er beim Kaiser in Ungnade gefallen. Wegen ihm lag nun wahrscheinlich der Sohn seines besten Freundes im Sterben.
    Fluchend schnallte sich der Mann aus Salisbury seine Waffe um. Mit einem durchdringenden Schrei landete der Witveer neben ihm auf der Lichtung. »Kommt, Monsieur, der Kaiser braucht Euren Rat!«, rief der prächtig gekleidete Bote. Ohne zu zögern kletterte Rulfan hinter ihm auf den Sattel. Seine langen weißen Haare flatterten im Wind, als der Vogel sich in die Wolken erhob.
    Er wusste nicht, ob er dem Kaiser Rat geben konnte. Er wusste nur, dass er Matt und Aruula nie wieder in die Augen sehen könnte, wenn Daa’tan tatsächlich starb.
    ***
    Zur gleichen Zeit, 600 km östlich von Wimereux-à-l’Hauteur
    »Wir brauchen mehr Dampf, Rubin! In diesem Schneckentempo kriegen wir ihn niemals in Schussweite.« Gaitello, der Erste Jäger, warf dem alten Piloten einen ungeduldigen Blick zu.
    »Gefährliche Aufwinde, Monsieur. Zu riskant«, erwiderte der dicke Rubin. Mehr sagte der Alte nicht, sondern steuerte die kaiserliche Jagdroziere in gleich bleibender Geschwindigkeit weiter. Wütend wandte sich Gaitello wieder dem Frontfenster zu. Er kannte Rubin lange genug, um zu wissen, dass jede Diskussion sinnlos war. Der Alte war stur wie ein Wakudabulle, und darüber hinaus hatte er das Kommando an Bord des Luftschiffes.
    »Fallwinde! Ich spüre nicht den geringsten Hauch davon«, raunte

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