2470 - Finsternis ÃŒber Terra
jämmerliches Weichei hielt.
Und dann war da Arnie ...
Seit acht Monaten war der „Kleinste" in eine seelische Starre verfallen, aus der ihn bisher selbst die Therapeuten des Kinderhorts immer nur für kurze Zeit befreien konnten. Das, was den Jungen im Innersten trieb, war stärker als alle medizinische und psychologische Kunst.
Erst vor zwölf Tagen acht geworden, suchte Arnie das Vergessen im heillosen Aktionismus seiner virtuellen Computerwelten. Er büxte bei jeder Gelegenheit aus und tauchte in den Straßen, Spielhöllen und Adventureparks von Atlan Village unter.
Manchmal dauerte es Tage, bis Tenpole, Anulyn oder Corsair ihn in irgendeiner fremden Wohnung fanden, wo er bei seinen seltsamen Freunden Unterschlupf fand. Es waren immer andere, sie wechselten wie das Wetter in den alten Videos – schnell und unvorhersehbar.
Schlimmer noch die schrillen, lärmenden Vergnügungstempel, in denen ein Kind wie er definitiv nichts zu suchen hatte. Aber er schaffte es, sich einzuschmuggeln. Nach einem solchen Abend war er für Tage nicht ansprechbar und lümmelte sich von morgens bis abends vor dem Wandbildschirm in seinem von Holos übersäten Zimmer.
Ganz übel waren auch die sogenannten Spielplätze, die mit kindlichem Spiel viel weniger zu tun hatten als mit Horror und Nerventod.
Zweimal hatten sie ihn nur mithilfe von NATHAN wiedergefunden, bis Tenpole ihm eine Armbanduhr mit einem kleinen holografischen Atlan-Konterfei schenkte, die – wovon Arnie nichts ahnte, glücklicherweise – mit einem Positionssender ausgestattet war. Mit dem Gegenstück konnte Opera ihn nun wenigstens orten.
Sie hatten alles. Tenpole arbeitete dafür – er war nicht mit dem zufrieden, was ihnen ohnehin zustand, er wollte sich jedes einzelne Element seines Lebens verdient haben.
Seine Kinder begriffen diese Einstellung nicht.
Alle drei, ohne Ausnahme, flohen sie vor der Realität und jeder Form von Verantwortung.
„Was ist?" Corsairs Stimme riss ihn jäh aus seinen trüben Gedanken.
„Was grübelst du wieder? Tu endlich etwas!"
„Was soll ich tun?", fragte Tenpole erschreckt. Dabei wusste er genau, was nun kam. „Ich ... bin schon auf dem Weg zur Arbeit, ich ..."
„Hör auf mit deinem Gelaber von der Arbeit!", schoss Corsair. Seine Augen glänzten in fanatischem Feuer. „Werd endlich wach und fang an zu kämpfen! Es ist Krieg, Tenpole!
Die Terminale Kolonne steht vor unseren Toren, und wir tun alle nichts dagegen! Sie wird uns ..."
„Boah, Mann!" Anulyns Kopf flog hoch. „Hör auf damit! Merkst du nicht, wie du uns auf den Keks gehst mit diesem ... Mist!"
„Mist, sagst du?" Der Älteste zielte mit dem Zeigefinger auf sie. „Es ist für dich ... für euch ... ein Mist, wenn Terraner aufstehen und sich wehren? Die den Herrschaften nicht mehr vertrauen, die uns im Stich lassen und ..."
„Mannoooo", fuhr Arnie auf. „Ich kann es nicht mehr hören! Lasst mich doch einfach in Ruhe! Das ist keine Familie mehr, das ist ein Irrenhaus!"
Er stand auf und stürzte aus der Küche. Tenpole hörte das Knallen seiner Zimmertür, aber er machte keinen Versuch, ihn deshalb zur Rede zu stellen.
Bis zu einem gewissen Grad verstand er ihn ja auch.
„Er flieht!", echauffierte sich Corsair mit hochrotem Kopf. „Haut ab, wenn er in die Verantwortung soll.
Wie alle! Du, Anulyn, bist auch nicht besser. Während andere den Kampf aufnehmen und zu den Waffen greifen, liegst du bei irgendwelchen Kerlen im Bett und ..."
„Hör endlich auf!", kreischte sie.
„Halt den Mund, oder ich ..."
„Was?", schnappte Corsair und nahm Kampfhaltung ein. „Was dann?
Du willst mir drohen? Du kleine Schlampe? Ich zeig dir, was ..."
Tenpole Opera stand auf und ging.
„Was machen wir falsch, Jeria?", fragte er, als er, auf der Kante seiner Liege sitzend, das Softholo betrachtete. Dort strahlte sie, und es war so wirklich, als könne sie jeden Moment neben ihm stehen, die Arme um seinen Hals schlingen und ihm ins Ohr pusten, wie sie es immer getan hatte, um seine dunklen Stimmungen zu vertreiben. Aber sie würde nicht mehr kommen. Nie wieder. Alles war anders – nichts mehr lebenswert, seit sie vor acht Monaten ums Leben gekommen war.
Jeria ... so unendlich viel mehr als seine Partnerin und die Mutter seiner drei Kinder. Niemand würde je ermessen können, was sie ihm bedeutet hatte.
„Warum sind sie so geworden? Wie soll das noch enden? Statt sich lieb zu haben wie andere Geschwister, hacken sie nur aufeinander herum und ..."
Jeria,
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