2489 - Schach dem Chaos
an. Die Bordzeit, angesichts einer gemischten Bevölkerung mit unterschiedlichem Zeitempfinden stets ein Grund für Diskussionen, zeigte sechs Uhr terra-nischer Standardzeit.
Perry Rhodan gähnte und streckte sich ausgiebig. Vogelzwitschern drang aus mehreren versteckten Lautsprechern, begleitet von den üblichen Flüchen Jason Coltons.
»Es fehlen nur noch die Kirchglocken«, sagte der Emotionaut, »und mein Glück wäre perfekt.«
Der Unsterbliche lächelte. Jason Colton stammte aus einem Europa-Bezirk, der in Perrys Jugend der Stadt Danzig entsprochen hatte, allerdings bereits seit dem 27. Jahrhundert alter Zeitrechnung vorwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung diente. Nach dem Sturz der Erde durch den Schlund und der Wiederbesiedlung des Heimatplaneten hatte sich jene zähe Beharrlichkeit gezeigt, die für Menschen als typisch galt. Auch wenn die neuen Siedler auf der Erde fast allesamt von Kolonialplaneten stammten - sie übernahmen alte Traditionen und besannen sich jener Werte, die ihre Vorfahren auf Terra hochgehalten hatten.
»Es ist, als hätte sich die Erde ihre Bewohner ausgesucht und nicht umgekehrt«, murmelte Rhodan.
»Wie bitte?«, fragte der groß gewachsene Mann neben ihm.
»Ich musste an die Zeit der Konzilsherrschaft denken und an die Flucht der Menschheit. An die unbevölkerte Erde. Du erinnerst dich, Alaska?«
»Wie könnte ich das jemals vergessen?« Der Mann mit der Maske kratzte sich unbeholfen am Hals. »Es war schrecklich. Die Erde wirkte tot. Entseelt.«
Eine Pause entstand. Wie immer war sie viel zu lang. Ein Gespräch mit Alaska Saedelaere war eine mühsame Sache.
»Wie fühlst du dich?«, hakte Rhodan schließlich nach.
»Es geht. Ich kann das Vibra-Psi fühlen, aber ich werde damit fertig.«
»Du bist einsatzbereit?«
»Hundertprozentig.«
»Wolltest du einen kleinen Ausflug machen, sobald wir Rendezvous-Beta erreicht haben?«
»Kommt drauf an.«
»Worauf kommt es dir an?«
»Auf die Umstände.«
Perry Rhodan ließ es bleiben. Er wollte nicht tiefer in seinen Kameraden dringen, den das Schicksal seit vielen Generationen beutelte. Alaskas Leben glich einem Mäandermuster. Obwohl er viele Wandlungen durchgemacht hatte, war er immer wieder auf einen bestimmten Status zurückgeworfen worden, als gönne ihm eine finstere, planende Macht kein längeres Glück, keinen Frieden und keine Erfüllung. Es stand nicht einmal dem berühmtesten Terraner zu, die Eigenheiten dieses Mannes zu beurteilen oder gar zu verurteilen.
»Wir reden weiter, wenn es so weit ist. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Alaska Saedelaere deutete eine Verbeugung an und verließ die Zentrale in Richtung der Toiletten. NEMO hatte ihm dort einen kleinen Raum zugestanden, in den er sich zurückziehen und seine Gesichtsmaske für ein paar Minuten ablegen konnte. Seine Existenz hatte ihn mehrmals im Zentrum kosmischer Ereignisse gesehen, und er benötigte immer wieder kurze Auszeiten, um mit deren Konsequenzen fertig zu werden.
Rhodan widmete sich den Bulletins, die ihm NEMO zuspielte und die mit jeder Minute länger wurden. Mehr als 300 Personen an Bord der JULES VERNE litten derzeit unter den Folgen des Vibra-Psi und mussten von den Ärzten der Medo-Abteilungen behandelt werden. Unter ihnen waren prominente Besatzungsmitglieder wie Yicael Jinfan, Zweiter Pilot dieser Zelle der VERNE, Casper Chirasel-lo, Stellvertretender Leiter der Schiffsverteidigung, Nod Lynland, Verantwortlicher für Logistik, Nachschub sowie Versorgung, aber auch der Stellvertretende Kommandant und Erste Offizier der JV-2, Suong Khaurir.
Diese Leute waren nur schwer zu ersetzen. Sie alle bewegten sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch die ihnen zugeteilten Aufgabengebiete, und ohne sie entstanden Lücken im Bordbetrieb. Mitglieder der dritten oder vierten Hierarchiestufe mussten für die Kranken einspringen, und sie schufen kleine, kleinste Unsicherheiten, die sich allmählich hochschaukelten.
Rhodan blickte auf den Zentralen Holo-Globus. Die JULES VERNE schleuste aus CHEOS-TAI aus und führte das Annäherungsmanöver auf Rendezvous-Beta in Eigenregie durch. Er hatte diese Anweisung nicht nur gegeben, um seine Leute auf Trab zu halten. Wichtig erschien ihm, dass die Besatzung ein »Gefühl« für diese fremdartige Umgebung bekam, die von verstärkten Hyperaktivitäten und unberechenbaren Phänomenen beherrscht und gestaltet wurde. Sie mussten sich jeden möglichen Vorteil erarbeiten, wollten sie gegen GLOIN TRAITOR auch nur
Weitere Kostenlose Bücher