25 - Ardistan und Dschinnistan II
zunächst Smihk, den dicken, der mit gesenktem Kopf im Zotteltrab auf die Landenge zusteuerte und uns schon ziemlich nahe war. Weit draußen kam der Stratege hinterhergelaufen, und zwar so schnell, wie seine langen Beine den kurzen Körper tragen konnten. Die Kopfbedeckung mit dem Reiherbusch hielt er in der einen Hand, den Säbel in der andern. Am rechten Ort gelassen, hätten beide es ihm unmöglich gemacht, einen solchen Dauerlauf auszuführen.
„Seht, wie er kommt!“ forderte Halef die Hukara auf. „Es ist der Tertib We Tabrik Kuwweti Harbie Fenninde Mahir Kimesne des tapferen Scheiks von Dschunubistan! Und –“
Er hielt mitten in seiner Rede, die jedenfalls satirisch werden sollte, inne. Sein Auge war auf einen weiter nach rechts liegenden Punkt des nördlichen Horizonts gefallen, an dem eine Gruppe von drei Reitern erschien, deren Richtung auch gerade nach der Landenge lag.
„Wer mag das sein?“ fragte er.
„Der ältere Prinz der Tschoban“, antwortete ich, „mit seinem Freund und seinem Führer.“
„Hamdullillah! So ist dann unser Tagwerk vollendet! Wie gut, daß er noch vor Abend kommt! Wie soll er behandelt werden?“
Er richtete diese Frage nicht an mich, sondern an den Dschirbani, weil ich ihn angewiesen hatte, nur allein diesen als den gebietenden Feldherrn zu betrachten. Dessen Antwort lautete:
„So, wie ein guter Mensch behandelt werden muß, selbst wenn er als Gegner erscheint. Ich will die Tschoban nicht vernichten, sondern sie aus Feinden in Freunde verwandeln. Und dieser Prinz ist es besonders, auf den ich mich dabei zu stützen habe. Allerdings nur derjenige Sieg ist ein wirklicher Sieg, der alle Feinde vernichtet und keinen einzigen von ihnen übrig läßt. In vergangenen, grausamen Zeiten suchte man dies dadurch zu erreichen, daß man sie ausrottete, sie tötete. Heute und noch viel mehr in der Zukunft aber kommt man viel leichter, viel sicherer und viel menschlicher zu ganz demselben Ziele, indem man den Haß in Liebe kehrt und sich dadurch den Widersacher zum Verbündeten und Helfer macht. Diese letztere Weise soll auch die unsere sein. Ich will durch Liebe siegen, nicht durch Blut und Tod!“
Nun war Smihk so weit herangekommen, daß er uns nicht nur sah, sondern auch erkannte. Er war des fremden Reiters überdrüssig geworden und hatte ihn abgeworfen. Nun er aber bekannte Gestalten erblickte, stieß er einen Jubelschrei aus, der alles überbot, was bis jetzt von ihm zu hören gewesen war. Ich ging ihm einige Schritte entgegen, um ihn zu liebkosen, wobei er den Schwanz in einen erstaunlichen Freudenwirbel versetzte. Kurze Zeit darauf stellte sich der Stratege ein, natürlich zu Fuß. Er war ganz außer Atem. Als er Halef und mich sah, blieb er pustend vor uns stehen und begann dann, ein Donnerwetter über uns loszulassen, wurde aber schnell unterbrochen: Zwei stämmige Hukara ergriffen ihn bei den Armen und zogen ihn fort, um ihn dahin zu bringen, wohin im seine Untergebenen vorausgeschickt worden waren.
Die Sonne war dem Untergang nahe, als der Prinz der Tschoban sich der Stelle näherte, an der wir uns befanden. Wir waren von den Pferden gestiegen, hatten diese versteckt und dann auch für uns selbst hinter Steinen so gute Deckung gesucht, daß wir nicht gesehen werden konnten. Die drei Reiter hielten sich für vollständig sicher. Sie waren darum nicht wenig überrascht, als wir plötzlich aus unserer Verborgenheit hervortraten und einen so dichten Kreis um sie bildeten, daß sich ihre Pferde nicht bewegen konnten.
„Ussul!“ rief der Prinz, der sofort aus dem Äußeren der Leute, die ihn überfielen, ersah, zu welchem Volke sie gehörten. „Wer bist du?“
Diese Frage war an den Dschirbani gerichtet, der zu ihm herantrat und nach der Maulkette seines Pferdes griff, um vor allen Dingen dieses in seine Gewalt zu bringen.
„Man nennt mich den Dschirbani“, lautete die Antwort.
„Der Dschirbani bist du?“ sagte er, indem er ihn mit einem langen, aufrichtig forschenden Blicke musterte. „Ich habe dich noch nie gesehen, und doch ganz anders von dir gedacht, als törichte Leute denken. Und nun ich dich zum ersten Mal sehe, gefällst du mir, und ich möchte darauf schwören, daß ich mich nicht in dir geirrt habe. Was willst du von mir? Warum drängt ihr euch an uns heran?“
„Um euch gefangenzunehmen.“
„Aus welchem Grund? Euch an uns zu vergreifen, habt ihr weder Ursache noch Recht. Der Engpaß von Chatar liegt zwischen eurem und unserem Gebiet. Nur
Weitere Kostenlose Bücher