2542 - Perry Rhodan - Shandas Visionen
es doch, oder?«
Shanda konnte ihr zögerndes Nicken nicht unterdrücken, während sie
die Worte sorgfältig wegschloss, die in
ihre Gedanken drängten. Ja, in den
letzten Jahren war alles schlimmer geworden. Sie spürte Dinge, die andere
nicht wahrnehmen konnten, und diese
Vorfälle quälten sie. Aber sie machten
zugleich neugierig. Deshalb redete
Shanda nicht darüber. Ihr Leben ging
niemanden etwas an.
»Dein Vater und ich haben nie versucht, deine Entwicklung zu beeinflussen. Weil wir immer sicher waren, dass
du hochbegabt sein musst.«
»Vielleicht war das ein böser Fehler!«, sagte Jason heftig.
Die Lippen zusammengepresst,
starrte Shanda nach draußen. Die Einsamkeit der Berge war idyllisch, nicht
im Geringsten vergleichbar mit dem
emotionalen Chaos auf Aveda. Stardust City wirkte seit jeher beklemmend
auf sie.
*
»Wie lange willst du eigentlich
schweigen?«, fragte Jason heftig.
Shanda sah auf die Berge hinaus. In
Gedanken summte sie eine Melodie,
die sie erst vor Kurzem gehört hatte.
Winzige Schatten am Horizont entpuppten sich schnell als ein Schwarm
großer vogelähnlicher Geschöpfe. Shanda mochte Tiere.
Aufmerksam schaute das Mädchen den Wesen mit den
lederhäutigen Schwingen entgegen. Sie schienen geschickte
Flugkünstler zu sein. Offensichtlich neugierig kamen sie in
großer Zahl näher und umkreisten den Gleiter.
Jason stieß eine Verwünschung aus.
»Das Leben ist härter, als du es dir
vorstellen kannst, Kind. Miranda und
ich müssen endlich wissen, was mit dir
los ist. Streng dich an, verdammt – und
spiel nicht immer die Einfältige!«
»Jason!«, rief Miranda empört. »So
machst du alles viel schlimmer!«
»Ach, das geht?« Er lachte heiser.
»Unsere Tochter wird nie begreifen,
dass das Leben eine Herausforderung
ist. Womöglich ist sie gar nicht in der
Lage, solche Feinheiten überhaupt zu
verstehen ...«
Shanda ertrug es nicht mehr. Mit
beiden Fäusten schlug sie auf die Armlehnen.
»Hört auf!«, schrie sie. »Hört endlich
auf damit ... ich mag das nicht!«
»Glaubst du, mir ergeht es besser?«,
erwiderte Jason frostig.
Dumpf klatschte etwas gegen die
Frontscheibe. Shanda sah die zuckenden Fänge eines der großen Flugwesen
über das Glassit schrammen. Die ausgebreiteten Schwingen wurden zusammengestaucht und zerfetzten geradezu.
Weitere Tiere griffen an. Shanda
zuckte heftig zusammen, als ein kantiger Schnabel neben ihr auf den Ausstieg einhackte.
Der Gleiter sackte ab.
»Ich gehe runter!«, kommentierte
Jason. »Jedes dieser Biester hat eine
Spannweite halb so groß wie unsere
Maschine. Keine Ahnung, weshalb sie
uns attackieren. Vielleicht sind wir ihren Nestern zu nahe gekommen.«
Der Gleiter zog sehr nahe an den
schroffen Felsen vorbei. Über einer
Steilwand kreisten unzählige der
Tiere.
Eine heftige Erschütterung durchlief das Fahrzeug.
Shanda hörte ihren Vater eine Verwünschung ausstoßen. Er war aufgeregt. Ungehalten. Irgendetwas geriet
außer Kontrolle.
Im nächsten Moment neigte sich der
Gleiter zur Seite, die zerklüfteten Vorsprünge kamen bedrohlich nahe. Dann
schrammte die Maschine mit ohrenbetäubendem Kreischen über den
Fels.
Shanda presste beide Hände auf die
Ohren, doch davon wurde nichts besser.
Der Gleiter taumelte wie ein Blatt
im Herbststurm.
Sekunden später schlug er auf. Shanda wurde gegen den Magnetgurt
gepresst, ihr Kopf flog nach vorn und krachte einen Moment später
zurück an die Lehne. Sie fühlte Benommenheit, der Lärm
rückte in weite Ferne.
War das der Tod?
Sie spürte keine Angst, nur Neugierde.
Nichts in unserer Welt kann verloren
gehen, alles verändert nur seine Form.
Energie stabilisiert sich zu Materie;
Materie zerfällt zu Energie. Aber jedes
Quant bleibt erhalten.
Wenn sie sich auch längst nicht alles
merken konnte, diese Sätze hatte sie
behalten. Möglich, dass sie den Sinn
falsch verstand, dass die Aussage völlig anders gemeint war. Aber dann war
das ihre eigene Wirklichkeit, eine beruhigende, versöhnlich erscheinende
Welt.
Der Gleiter überschlug sich. Shanda
spürte, dass sie herumgewirbelt wurde, und schon kam der zweite harte
Aufprall. Die Frontscheibe zerbarst in
einem Trümmerregen. Eiseskälte brandete heran, zugleich eine erstickende
Woge aus Schnee.
Stille.
Ein dumpfes, rhythmisches Knacken
schreckte Shanda auf. Sie brauchte geraume Zeit, bis sie verstand, dass
dieses Geräusch vom Rumpf des Gleiters kam.
Shanda glaubte, dass ein Schatten
über ihr verharrte.
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