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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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    D er Konvoi der Schikanederischen Schau- und Operngesellschaft bestand aus zwei günstig in Augsburg georderten zweispännigen Kutschen für das Prinzipals-Ehepaar, die Ersten Damen und die Tänzerinnen, drei etwas weniger komfortablen Planwagen für die Herren und das Orchester sowie zwei hochbepackten, von stämmigen Kaltblütern gezogenen Gepäckwagen.
    Seit die Truppe in der Miesenbacher Poststation Mittagsrast gehalten hatte, waren noch keine zwei Stunden vergangen. Trotzdem schien es Emanuel Schikander, als habe bereits die Dämmerung eingesetzt. Auch die Geräusche um ihn herum hatten sich verändert. Das eintönige Knirschen der eisenbeschlagenen Räder auf dem Schotter, unterbrochen nur vom Schnauben der Pferde und einem gelegentlichen, von einem unverständlichen Ruf des Kutschers begleiteten Peitschenknall, das Knarzen und Ächzen des Fahrwerks, alles hatte an Lautstärke zugenommen. Durch die Ritzen des Wagens war schwere Feuchtigkeit in das Innere der Kabine gedrungen.
    Solange die Fuhrwerke noch gegen die zähe Landschaft des Voralpenlandes gezogen waren, hatte der Prinzipal ein wenig gedöst. Jetzt schob er sich im Sitz nach oben, um seinen nach Tagen der Rumpelei wundgeriebenen Steiß ein wenig zu entlasten. Er befreite sich behutsam von seiner im Schlaf an ihn gesunkenen Gattin und sah nach draußen.
    Sie befanden sich bereits im Gebirge. Es hatte leicht zu regnenbegonnen. Noch im vollen Laub stehendes, triefendes Buchengeäst neigte sich über die Straße, eine von Farn gesäumte, von schlammigen Pfützen gelöcherte und tiefen Fahrrillen gefurchte Piste. Zu ihrer Linken stieg das Gelände steil an. Nach wenigen Metern verlor es sich in einer schwarzen Tannenwaldung, aus der nackte Kalkfelswände in neblige Höhen flohen. Auf der rechten Seite schützte nur ein niedriger Steinwall vor einem bedrohlichen Abgrund, aus dessen dämmeriger Schlucht das finstere Orgeln eines Gebirgsbachs nach oben drang und sich mit einem fernen Donnergrollen mischte.
    Die Steigung hatte kaum merklich zugenommen, die Fahrt sich verlangsamt. Die Felsen rückten näher an den Wegrand. Käme ihnen jetzt ein Fuhrwerk entgegen, müsste mit langem, von Beleidigungen und Drohungen begleitetem Palaver geklärt werden, wer zurückzusetzen hätte. Doch niemand kam. Der Treck passierte eine verlassene Mautstation. Einige Kehren später polterte er an einem sturmschiefen, rindengedeckten Unterstand vorbei.
    Johann Joseph Emanuel Schikaneder – seine beiden ersten, etwas bäurisch klingenden Vornamen hatte er schon früh unter den Tisch fallen lassen, und auch seinen ursprünglichen Nachnamen >Schickeneder‹ hatte er ein wenig veredelt – war noch nicht lange Prinzipal. Vor noch nicht drei Jahren hatte er die leidlich eingeführte Truppe von der Witwe des früheren Besitzers für viertausend Gulden erworben, mit allem menschlichen und sonstigen Inventar. Das Risiko hatte sich gelohnt: Schon nach einem Jahr hatte er den Kaufkredit zurückzahlen können. Mit seinen noch nicht dreißig Jahren war er jetzt der Leiter einer der erfolgreichsten Wandertheater-Compagnien zwischen den süddeutschen Ländern und dem kaiserlichen Österreich, dazu ein unermüdlicher Stückeschreiber und gefeierter Erster Charakterdarsteller. Er hatte ein gesundes Selbstbewusstsein, und dennoch war es Balsam für seine Seele, was das Gothaer >Theaterjournal für Deutschland‹ kürzlich über ihn geschrieben hatte. Noch im Schlaf hätte er es herbeten können: »Hrn. SchikanedersWuchs ist von Natur aus ungemein vorteilhaft und schön, er ist groß, sehr wohlgewachsen, und seine Stimme ist rein und melodienreich. Sein Enthusiasmus hebt sich über alle Schwierigkeiten, und er verdient mit einem Wort unter die Reihe der besten Schauspieler und einsichtsvollsten deutschen Direkteure gesetzt zu werden.« Nein – nicht nur das Publikum, auch die Göttin Fortuna liebte ihn. Von den Unannehmlichkeiten der Reise abgesehen, hätte er also höchst gelassen in die Zukunft blicken können.
    Doch Emanuel Schikaneder hatte Sorgen. Er rechnete wieder und wieder, wollte es nicht glauben, fing von vorne an: Unmöglich! Es konnte nicht sein, dass er nahezu bankrott war! Das Gastspiel in Augsburg war doch ein voller Erfolg gewesen! Was das in Massen strömende Publikum, die Begeisterung während der Aufführungen und die Lautstärke des Applauses betraf, hätte die Bilanz nicht besser sein können. An manchen Abenden toste ein Rasen und Trampeln durch das Theaterhaus, dass

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