2542 - Perry Rhodan - Shandas Visionen
schnell.
»Uhrzeit!«, rief sie in den Raum.
Auf der Bildwand erschien die Zeitanzeige. Es war schon später, als sie
befürchtet hatte. Fakan würde auf sie
warten. Wahrscheinlich häufte sich die
Arbeit.
»Wohin willst du? Shanda, es ist keinesfalls vorherbestimmt, dass du in
dem Zustand arbeitest.«
»Doch!«, beharrte sie.
Im Durchgang zum Vorraum hielt
sie kurz inne. Mit beiden Händen fuhr
sie sich durchs Haar und wühlte es auf.
Sie tat das, gerade weil sie wusste, wie
wenig Herman davon hielt. Als sie sich
zu ihm umwandte, sah sie, dass der
Fleck auf seinem Hemd bereits fast
verschwunden war.
Einen Augenblick später stürmte sie
nach draußen.
6:18 Uhr
Ein Gleitband nahm sie auf. Shanda
hatte Mühe, die Bewegung auszubalancieren. Sie war aufgewühlt, der
nächtliche Traum machte ihr zu schaffen. Sechs Jahre – wie eine kleine
Ewigkeit erschien ihr die Zeit, die seit
dem Tod ihrer Eltern vergangen war,
doch noch immer fragte sie nach ihrer
Schuld.
Zum ersten Mal seit Langem war sie aus dem
Haus gerannt, ohne sich umzuwenden. Wollte sie mit allem brechen? Aber
sie brauchte Herman. Wohin hätte sie sich ohne ihn wenden sollen?
Ob Fakan ihr beistehen würde? Sie
verdrängte den Gedanken an ihren
Vorgesetzten sofort wieder.
Der Morgen zeigte sich regnerisch
kühl. Shanda war überzeugt davon,
dass dichte Nebelschwaden über dem
Ashawar-Delta hingen. Sie mochte es,
wenn die weite Ebene vor der Stadt
geheimnisvoll und verzaubert wirkte.
Eines Tages würde sie hinausgehen.
So weit, bis der Nebel sie verschluckte
und ein Zurück nicht mehr möglich
war ...
Ein schmerzhafter Stoß in die Seite
ließ sie taumeln. Sie schnappte nach
Luft, wollte aufbegehren, aber ein bärtiger Kerl grinste sie frech an.
»Weißt du eigentlich, wo du hinwillst,
Mädchen? Du stehst allen im Weg!«
Tatsächlich waren da mehr Menschen. Shanda achtete erst in diesem
Augenblick darauf. Überrascht registrierte sie, dass sie schon die Zwischenstation erreicht hatte, gut einen
Kilometer von zu Hause entfernt.
Andere schoben sie weiter. Shanda
machte einige hastige Schritte vorwärts und wich bis an den Rand des
Gehbereichs aus. Sie hielt den Blick
gesenkt. Alles, nur nicht hektischen
Menschen ins Gesicht sehen.
Sie versteifte sich, als jemand nach
ihrer Schulter fasste. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass die Hand mehr
Finger hatte als nur fünf, und die
Haut schimmerte rosa und war stellenweise mit blauem Flaum überzogen. Ein flacher Schädel schob sich
heran und neigte sich zur Seite. Kalt
wirkende Augen musterten sie durchdringend.
Shanda fröstelte beim Anblick der
geschlitzten Pupillen. So dicht ließ sie
nie jemanden an sich heran. Zu große
Nähe engte sie ein und nahm ihr die
Luft zum Atmen.
»Kann ich dir helfen, Frau?«
Die schrille Stimme des Blues tat ihren Ohren weh. Shanda schüttelte den
Kopf. Zugleich überlegte sie, ob jemals
einer »Frau« zu ihr gesagt hatte. Sie
entsann sich nicht.
»Du siehst nicht aus, als würdest du
dich zurechtfinden.«
Der Tellerkopf pendelte neben ihr in die Höhe. Sie konnte nun den
Halsmund sehen, dessen Muskelwülste vibrierten. Der Blue redete in
den höchsten Tönen auf sie ein, nur hörte sie es nicht.
Sekunden später ließ er von ihr ab.
Mehrere Waggons der Röhrenbahn
stoppten. Es wurde merklich leer auf
der Verteilerplattform.
Shanda atmete auf. Wie so oft, wenn viele Menschen um sie herum waren,
versuchte sie, an gar nichts zu denken und sich nicht vom Sog ihrer
Emotionen mitreißen zu lassen. Momentan gelang ihr das wieder
recht gut. Ohnehin musste gleich der Gleiterbus kommen. Die Fahrzeiten
kannte sie auswendig, hätte sie vorwärts und
rückwärts ohne zu stocken aufsagen können. So dumm
konnte sie also gar nicht sein.
Hätte ich sonst Arbeit? Jason – hörst
du, ich habe Arbeit gefunden. Warum
hast du daran gezweifelt?
Sie war stolz darauf, dass sie es aus
eigener Kraft geschafft hatte. Schon
deshalb wies sie die Überlegung weit
von sich, aus einer Nichtigkeit heraus
auch nur einen einzigen Tag lang dem
Zentrallager fern zu bleiben.
»Wir waren zu leichtgläubig!«
Shanda hörte die Stimme so laut
und deutlich, als rede jemand auf sie
ein. Aber keiner war in ihrer Nähe.
Am anderen Ende der Rampe warteten einige Kinder und Erwachsene.
Die Kinder warfen einander eine virtuelle Flugscheibe zu.
Shanda sah, dass das rotierende
Geschoss mehrere Personen traf und
durchdrang. Dabei löste es sich Funken
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