2542 - Perry Rhodan - Shandas Visionen
tun.«
»Ich weiß nicht«, gestand Miranda
zögernd. »Momentan habe ich eher
Angst davor.«
Die holografische Wiedergabe erlosch.
»Soll die nächste Sequenz projiziert
werden?«, erkundigte sich der Servo.
Shanda blickte nach draußen. Die ersten Wohntürme waren
schon so nahe, dass sie die Emotionen der Menschen hinter den
verspiegelten Fensterfronten zu spüren glaubte. Sie hob den Kopf
und lauschte kurz, obwohl sie sich vorgenommen hatte, genau das nicht
zu tun. Sie wollte gar nicht wissen, was um sie herum geschah. Das
alles belastete sie nur und machte ihr vor allem ...
»Angst!«
Ohne es zu wollen, stieß Shanda das
Wort hervor. Sie hatte es eben von ihrer
Mutter gehört. Aber das war Zufall,
weiter nichts.
In dem Moment spürte Shanda die
Leere in sich ...
*
Hartnäckig lastete die Düsternis
über der Stadt, und wie ein gefräßiger
Moloch hatte sich der Nebel aus den
Kanälen erhoben. Wo eigentlich kühne
Architektur in den Himmel wuchs, stachen scheinbar nur noch bleiche Gerippe in die Höhe.
Vergebens wartete sie auf den neuen
Morgen. Kein noch so fahles Glimmen
stieg über der Hochebene im Osten
empor. Selbst das Lichtermeer der
Raumhäfen, das sonst den Horizont in
gleißende Helligkeit tauchte, war erstickt.
Sie stand stumm und wie versteinert
an der Fensterfront. Ihre Handflächen
klebten beinahe am Glassit. Aber sogar der Blick in die Tiefe war ihr verwehrt. Zweihundertunddreißig Meter
– schon der Gedanke daran ließ sie zittern. Langsam krümmte sie die Finger,
als könne sie sich in die Scheibe einkrallen.
Ihre Stirn schlug gegen das Glas.
Im nächsten Moment glaubte sie
vornüberzustürzen. Sie breitete die
Arme aus und genoss das Gefühl des
Fallens. Genoss den Wind, der immer
heftiger an ihr zerrte, ihr schütter gewordenes Haar durchwühlte und ihre
Kleidung bauschte. Das Atmen fiel ihr
plötzlich schwer, ihr stockendes Lachen verwehte ungehört.
Angespannt erwartete sie den Aufprall. Verwünschte zum letzten Mal
diese Welt, die ihr alles genommen hatte, nicht nur die Hoffnung ...
... und die ihr dennoch den Tod versagte.
Sie war lediglich an der Glasfront
entlang zu Boden gesunken.
Von ihrem Handrücken aus pulsierte
es brennend durch den Körper. Der
Notfallchip schickte vitalisierende Botenstoffe durch die Adern. Vorbeugend
wurde Serotonin freigesetzt. Und die
Farbveränderung zeigte, dass der
Kreislauf über die im Körper verteilten Minipumpen unterstützt wurde.
Entschlossen griff sie zu und grub
die Fingernägel der rechten Hand unter den Chiprand. Sie schaffte es allerdings nicht, dieses verwünschte Stück
Technik abzureißen.
Was hatte sie mit 194 Jahren vom
Leben noch zu erwarten? In nicht einmal mehr drei Wochen war ihr nächster Geburtstag. Sie fürchteten diesen
Tag, hasste ihn beinahe schon, zumal
Jomas Tod alle Wunden wieder aufgerissen hatte.
Joma, ihr einziger Sohn, war Lichtjahre entfernt gestorben. Auf Sionis,
einer Station der Grenzgänger des
Schleiers. Das jedenfalls hatte ihr der
Mann von der Regierung erklärt, der
ihr die grausame Nachricht überbracht
hatte. Joma war im Kampf gegen einen
gnadenlosen Feind gefallen. Aber hehre Worte änderten nichts daran, und
der posthum verliehene Orden brachte
ihn ebenso wenig zurück.
Ein Orden für tapferes Sterben ...
Ihre Tränen waren versiegt. Für einen Moment fragte sie sich, wo sie den
Orden hingeworfen hatte ... Egal.
Selbst eine Haarlocke von Joma hätte
ihr hundertmal mehr bedeutet als der
eingeschliffene Hyperkristallsplitter
im Emblem der Stardust-Union.
Unverändert lag sie vor der Fensterfront. Als ihre Gedanken ruhiger wurden, wusste sie wieder, dass der Chip
Statusmeldungen an die nächst gelegene Klinik schickte.
Wie lange mochte das Medopersonal
brauchen? Seltsamerweise stellte sie
sich diese Frage zum ersten Mal.
»Du verdammtes Mistding.« Zornig
funkelte sie den Chip an, dann biss sie
hinein. Das Ding blieb fest auf ihrem
Handrücken.
Die Heimat war unerreichbar fern.
Nie würde sie Terra wiedersehen. Dass
Perry Rhodan im Stardust-System erschienen war, änderte daran wenig.
»Aber wir sehen uns bald wieder,
Jürgwein! Ich komme zu dir.«
Noch auf Terra war ihr Ehevertrag
auf Lebenszeit geschlossen worden.
Am Tag danach hatten sie in einem der
großen Container schon die neue Welt
erreicht. Fünf Wochen unbeschreibliches Glück – und dann der tödliche
Unfall in einer der Baugruben von
Stardust City. Joma hatte seinen Vater
nie
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