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2575 - Flucht nach Anthuresta

2575 - Flucht nach Anthuresta

Titel: 2575 - Flucht nach Anthuresta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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1.
    Das Erwachen
     
    Der Schrei drang aus der Tiefe empor, brach sich gurgelnd Bahn durch die Kehle, zerriss die

angespannte Stille und verendete in einem gebrochenen Wimmern.
    Sie hörte selbst den Schrei, ohne zu begreifen, dass es ihr eigener war, der geflohen war.

Denn sie hatte schon einmal einen solchen Schrei gehört, tief in sich, in jenem Moment, der sie

ins Leben gebracht hatte. Doch damals war es nicht ihr Schrei gewesen, der sie so sehr

erschütterte.
    Bin ich heute ...in derselben Situation?
    Überrascht erkannte sie, dass sie dachte. Eine Erinnerung; sie wusste genau, es war

schon einmal geschehen, und doch war heute etwas ... anders.
    Ich ... ja, ich habe geschrien. Und doch ist es derselbe Schrei...
    Für jede Situation gab es eine Stimmlage, und für jede Ausnahmesituation, jede Pein gab es nur

einen einzigen Schrei in einem einzigen Tonfall. Es konnte keine Verwechslung sein. Sie wusste, was dieser Schrei zu bedeuten hatte, der keinem anderen glich.
    »Ich bin tot!«, schrie sie in die Dunkelheit in ihrem Verstand. »Ich bin tot!«
    Sie spürte eine Stimme von weit her schwingen, sah das leuchtende Band der Betonungen auf und

ab wogen ... hörte sanfte Worte.
    »Nur ruhig. Es ist alles in Ordnung. Du bist desorientiert, das ist ganz normal.«
    »Aber ich erinnere mich ...«
    »Das solltest du auch. Alles wird zurückkehren, nach und nach.«
    »Nein ... ich erinnere mich an den Tod.«
    *
    Sie hörte das Lied, das rhythmische Stampfen und Klopfen, und sie spürte, wie Hände sie zu

Boden rissen, wie Füße sie zertraten. Sie erinnerte sich an den Schmerz, an unvorstellbare Qual,

die eine Ewigkeit währte, bis endlich Finsternis über sie hereinbrach.
    Oh, weiche warme Finsternis, mildtätig und gütig. Immer nur spendend, niemals fordernd. Sie

war in ihr dahingetrieben, ohne Wollen und Denken und Fühlen. Kein Schmerz mehr.
    Ich bin tot. Ich bin tot.
    »Es tut mir leid«, durchlöcherte ein greller Klang die Schwärze. »Aber das stimmt nicht. Du

musst dich an den Gedanken gewöhnen, dass du lebst.«
    Gedacht oder gesprochen, das war egal - diese Lüge akzeptierte sie nicht, würde sie niemals

annehmen.
    »Lass mich tot sein!«, schrie sie. »Das ist, was ich bin, nichts sonst!«
    »Oh nein.« Das sanfte Schwingen war unerschütterlich. »Du warst Vamu. Und jetzt bist du

Vatrox.«
    Was sollte das sein? Wie konnte sie etwas gewesen sein, was es nicht gab? Wie konnte sie etwas

sein, wenn sie nicht war?
    »Du selbst hast Vamu gefunden, die Verbindung geschaffen. Du warst es selbst, deshalb erinnere

dich! Bitte, hör auf zu zweifeln.«
    Erinnern?
    Wozu? Dies endete doch nur mit dem Tod, nichts anderes gab es: Tod. Sie war tot.
    »Aber das warst du nicht immer. Da war etwas davor ...«
    Unwichtig.
    »Warum sollte das denn unwichtig sein?«
    Doch, eine wichtige Sache gab es: den Schrei. Dieser zweimal schallende Schrei, der nur einmal

möglich war.
    »Ich habe auch nur einen Schrei gehört.«
    »Der andere ist Vergangenheit, Dummkopf!« Er geschah vor langer Zeit. Die einzige Erinnerung

ans Vorher. Und dann: tot. Der Blitzschlag des Schmerzes und dann Finsternis. Tot. »Ich

will zurück!«
    »Wohin?«
    »Tot. Die Dunkelheit.«
    »Aber du bist. Ist das nicht besser?«
    Was tat man ihr an? Sie wusste, sie war »sie«, auch wenn sie nicht begriff, was es zu bedeuten

hatte. Es gab vielleicht eine Erinnerung dazu, aber warum sollte sie die Erinnerungen

zurückfordern? Welchen Sinn sollte das haben?
    »Weil du lebst. Weil du zu dir selbst zurückfinden musst, um wieder du selbst zu sein.«
    Was für ein Unsinn!
    »Du musst leben, so dumm, wie du bist, so dumm, wie du redest. Und du glaubst, ich bin wie du?

Lächerlich!«
    »Was ist so erstrebenswert, tot zu sein?«
    »Nichts! Es ist! Und das ist alles.«
    Was immer da auch redete, würde nie verstehen können, denn es stand auf der anderen Seite,

würde immer dort stehen. Doch sie war hier, sie blieb hier. Es war ihre Entscheidung, ihr

Wille.
    »Hast du denn nicht gern gelebt? Wolltest du nicht noch länger leben, als es

geschah?«
    »Ich will den Hall des Schreis nicht mehr hören. Mein Leben lang hörte ich ihn. Erst als ich

tot war, endete das Echo, und ich war endlich frei. Nein! Ich will es nicht.«
    »Du hast meine Frage nicht korrekt beantwortet.«
    »Was geschah denn?«
    »Erinnere dich. Es ist der letzte Moment deines Lebens.«
    Aber das wusste sie ja bereits. Wieder zuckten Bilder durch die Dunkelheit,

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