2591 - Im Auftrag der Superintelligenz
Superintelligenz. Seit ihrer Geburt war sie mit sich selbst beschäftigt. Mit Teilungen und mit Grabenkämpfen in ihrem Inneren - wie auch immer man sich die Intelligenzstruktur eines Geisteswesens vorstellen mag. Es war gewiss nicht leicht, Feinde in seinem ureigensten Ich bekämpfen zu müssen. Der Vergleich mit Wesen, die unter Persönlichkeitsspaltung leiden, drängt sich auf, und ich ahne, warum ES immer wieder Konzepte mit zwei oder mehreren Bewusstseinsinhalten als seine Diener einsetzt. Sie stehen gewissermaßen symbolhaft für seine Zerrissenheit.
»Die Informationen über den Zeitspeer und die Zeitkörner gelangten also über reichlich komplizierte Umwege an ES.«
»... zumal das Verhältnis der Superintelligenz zu ihrer Schwester, zu ESTARTU, lange Zeit reichlich getrübt war«, ergänzt Perry Rhodan.
»Ganz richtig.«
Lotho Keraete ringt nach Worten. Ich ahne, dass es ihm schwerfällt, all dies in für uns fassbare Begrifflichkeiten zu fassen. Was wir hier und heute erfahren, stellt sich in Wirklichkeit weitaus komplizierter dar.
Die Mehrheit moderner Philosophen, die sich mit dem Aufbau des Zwiebelschalenmodells beschäftigen, gehen davon aus, dass Superintelligenzen der Realität, wie wir sie verstehen, weitaus entrückter sind, als wir über Jahrtausende hinweg angenommen haben. Wenn ES in Rätseln spricht und manchmal einen völlig verqueren Sinn für Humor beweist, mag das durchaus mit dieser Entrückung zu tun haben. Raum und Zeit werden ganz anders wahrgenommen, hinzu kommt der Blick in parallele und alternative Universen samt ihren Möglichkeitsformen von Vergangenheit und Zukunft.
Ein Wesen wie Lotho Keraete, ein Vermittler zwischen ES und uns, steht der unangenehmen Herausforderung gegenüber, komplizierteste Gedankengänge in eine für uns verständliche Form zu bringen und Ereignisse miteinander zu verknüpfen, die nach konventioneller und kausal orientierter Vorstellung unmöglich miteinander zu tun haben können. Ich beneide ihn nicht um seine Aufgabe.
»Ich wurde von ES beauftragt, die Suche nach dem PARALOX-ARSENAL in der Schneise zu beginnen. Hier - beziehungsweise in der Beobachtungsstation von ESTARTU. ES hatte die Anlagen im Einverständnis mit seiner Schwester für seine Zwecke adaptiert und Zusatzaggregate für meine Silberkugel deponiert. Ohne dass ich zu Beginn meiner Reise hätte sagen können, welchem Zweck diese Geräte dienen würden.«
Täusche ich mich oder höre ich Bitternis in der Stimme des Boten?
»Die Dringlichkeit meiner Suche war mir durchaus bewusst. Ich musste das PARALOX-ARSENAL finden und, wenn möglich, einen Zugang schaffen. Um es im Idealfall zu bergen. Doch leider habe ich versagt ... «
6.
Träume und Schäume
Er erreichte unentdeckt den Mond, und dank der besonderen Technik der Entrückung der Silberkugel gelang es ihm problemlos, durch seine Materie in die Zentrumsstation vorzudringen. In sie einzusickern.
Lotho Keraete nahm den Vorgang mit dem üblichen Gleichmut zur Kenntnis. Er hatte längst aufgehört, sich über derlei Dinge zu wundern. Er akzeptierte die technischen Gegebenheiten und dachte nicht mehr daran.
Der Hohlraum im erstarrten und hochverdichteten Metallkern war vergleichsweise winzig. Der Durchmesser betrug etwa hundert Meter. Er war kugelrund, und von Aggregaten war auf den ersten Blick nichts zu sehen. Einzig und allein eine mitten im Raum schwebende, schwerelose Pflanze erregte Lothos Aufmerksamkeit.
Sie war wunderschön und sie stand in vollendeter Weise für ESTARTU. Das lilafarbene Riesengewächs bog seine weiten, ausladenden Blätter in alle Richtungen, auch nach »unten«. Der Stamm begann im Nichts und war von Myriaden von Mikroblüten bedeckt, die immer wieder goldfunkelnde Blütenstaubwolken ausstießen. Die Pollen waren wie der Funkenregen eines Feuerwerks, und sie vergingen so rasch wieder, wie sie gekommen waren.
Er konnte das Woher und Wohin des Blütenstaubs nicht anmessen, und eigentlich war er recht froh darüber. An manchen Geheimnissen rüttelte man besser nicht. Nicht einmal als Bote einer Superintelligenz.
Lotho lenkte seine Silberkugel so nahe wie möglich an die zehn Meter hohe Pflanze. Für einen Moment sah es so aus, als würden sich die Astarme nach ihr ausstrecken; doch schon bald zogen sie sich wieder zurück. Der Pollenregen sparte den Raum rings um die Silberkugel nun aus.
Lotho achtete auf die Anzeigen und auf das, was ihn das Gefährt spüren ließ. Er empfand einige absonderlich
Weitere Kostenlose Bücher