2591 - Im Auftrag der Superintelligenz
können.«
»Ich verstehe.« Lotho Keraete schwieg. Wäre er noch ein Mensch gewesen, wäre ihm wohl ein Schauder über den Rücken gelaufen. Er unterzog die Beobachtungsstation einer letzten, oberflächlichen Untersuchung, bevor er zurück zur Silberkugel schwebte.
Ein letztes Mal betrachtete er die Riesenpflanze. Sie emittierte eine weitere Wolke an goldenen Pollen, und eine Vielzahl von Blütenköpfen öffnete sich weit. Das Funkengewitter besprenkelte sein Gefährt - doch es sparte ihn aus.
Er durchdrang die Hülle der Silberkugel und drängte jeglichen Gedanken des Bedauerns beiseite. Er hatte eine Aufgabe.
*
Lotho startete sein Schiff mit einem Mentalimpuls. Es löste sich, durchdrang den Mond und gewann mit der Geschwindigkeit seiner Gedanken an Tempo. Der Weg war vorgezeichnet: Es ging in Richtung TALIN ANTHURESTA.
Er aktivierte den Zeitumformer.
Etwas änderte sich.
Seine Wahrnehmungen fühlten sich mit einem Mal ungerade und verschliffen an. Es war, als würde Lotho neben sich stehen und beobachten, und je länger er zusah, desto mehr entfernte er sich von seinem Wesen.
Er trieb ab, verlor sich aus den Augen. Sein Alter Ego wurde zur Schaumkrone in diesem Ozean aus Zeit- und Betrachtungsfacetten, zu einer Schaumkrone von vielen, die von Strömungen hin und her getrieben wurden, um letztlich in sich zusammenzufallen und im Meer der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Er fühlte sich immer weiter weggerissen, nun in eine ganz bestimmte Richtung. Dorthin, wo der Ozean immer tiefer und dunkler und kälter wurde. Er durchpflügte die Wellen, und je länger er reiste, von der Silberkugel nur noch mangelhaft geschützt, desto größer wurde der Zeit-Widerstand, dem er ausgesetzt war.
In Lothos Leib tobte Schmerz. Jenes Ding, das ihn schon so lange irritiert hatte, löste sich immer mehr. Der Vorgang verursachte ein Kitzeln, ein Reiben, ein Scheuern, und es war wohl nur noch eine Sache von Minuten - oder Jahrtausenden? -, bis es sich löste.
Die irritierenden Effekte der Zeitreise kamen abrupt zu einem Ende, und in jenem Augenblick, da die Ortung der Silberkugel wieder eine reale Umgebung anzeigte, verlor er endgültig die Kontrolle über seinen Körper.
Lotho Keraete zerriss.
Sein Leib platzte auf, und er entließ einen Teil seines Ichs, das, wie er plötzlich wusste, sein Sicherheitsmodul war.
Er sackte in sich zusammen, von maschinellem Schmerz und Erleichterung zugleich gebeutelt. Jene Leere, die er für kurze Zeit empfunden hatte, füllte sich gleich wieder, und auch der Körper verheilte rasch. Trotz des Verlustes des Sicherheitsmoduls war er nach wie vor ganz.
»Ich bin TiefenEins«, sagte das wurmartige Gebilde und schwebte bis dicht vor seine Augen. »Ich bin ein von ES nachträglich in dich integrierter Bestandteil, der dir in Augenblicken der Einsamkeit und der Gefahr beistehen soll.«
»Einsamkeit und Gefahr? Eine seltsame Mischung.« Lotho besah das seltsame Objekt. Es trug ein dunkles Facettenauge an der Spitze seines Leibs. Der Schwanz pendelte unruhig hin und her. Wie es sich frei schwebend in der Luft hielt, blieb unklar. Der Bote konnte keinerlei Energieströme anmessen.
»Einsamkeit soll ein ganz besonderer Aspekt in deinem zukünftigen Leben werden«, sagte TiefenEins. Die Stimme drang aus dem Inneren des Sicherheitsmoduls, ohne dass Lautsprecher zu erkennen gewesen wären. »An den Boten der Superintelligenz werden Herausforderungen herangetragen, die ungewöhnlich sind und Langmut erfordern.«
»Ich verstehe«, sagte Lotho Keraete ratlos.
»Jetzt werde ich meine eigenen Erfahrungen sammeln. Um dir mit Rat und Tat beistehen zu können, sollte es erforderlich sein.«
»Du hast also ein Eigenbewusstsein?«
»Ich vermute es.«
Eine rätselhafte Antwort. Lotho meinte, den ganz besonderen Humor von ES spüren zu können. Steckte etwa ein Hauch der Superintelligenz in TiefenEins?
»Zerbrich dir nicht deinen Kopf über Dinge, die du nicht verstehst, die auch ich nicht verstehe. Konzentrier dich gefälligst auf deine Aufgabe und achte nicht weiter auf mich. Ich werde dir zu Hilfe kommen, sobald du mich benötigst.«
Hilfe? Lotho hatte keinerlei Interesse an Unterhaltung. Er war lange genug allein gewesen und hatte sich an diesen Umstand gewöhnt. Das letzte Mal, dass er die Gegenwart anderer Wesen genossen hatte, war in jenen unheilsamen Tagen gewesen, da er seine Existenz als Mitglied der terranischen Explorer-Flotte aufgegeben hatte.
»Mach schon!«, quengelte TiefenEins. »Du
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