2725 - Preis der Gerechtigkeit
es klang so fröhlich, als antworte sie in Wirklichkeit auf die nicht ausgesprochene Frage. »Ich bin Khaika. Eine der Nonnen von Vraz. Ich bringe euch zu eurer Klause.«
»Und der Stein?«, fragte Schechter. Seine Augen bewegten sich unruhig im Gesicht. Die Lippen waren rau wie Wüstensand und zugleich so blass, als wabere dichter Nebel davor. »Ist er ein Begrüßungsgeschenk?«
Khaika hob ihren Arm und hielt den Stein vor ihre schmalen, fast farblosen Lippen. Mit der freien Hand beschirmte sie ihn. Dann wisperte sie einige Worte, die Gador-Athinas nicht verstehen konnte und Schechter zweifellos genauso wenig.
Nur der Stein hört sie, wurde dem Tefroder klar. Was Khaika sagte, war nur für den Kieselstein bestimmt. Er hielt es für verrückt, aber er wollte nicht darüber urteilen. Womöglich war es eine Eigenart der Mönche und Nonnen dieses sehr speziellen Ordens, eine Ausdrucksform ihres Glaubens. Es gab eben mehr Sitten und Gebräuche, als die tefrodische Schulweisheit sich träumen ließ. Und nebenbei gesagt spielte es bei einer so schönen Frau auch keine Rolle.
»Ihr versteht es nicht«, sagte Khaika schließlich laut. Anders als Schechters Lippen waren ihre voll und geradezu erhaben rot. »Doch ich mache euch deswegen keine Vorwürfe. Vielleicht lernt ihr in den nächsten Tagen, es zu beurteilen.« Sie ging los. »Kommt mit!«
Gador-Athinas wechselte einen Blick mit Schechter und bedeutete ihm, der Tefroderin zu folgen. Kelen-Setre hatte sie beide zu diesem Kloster gebracht –ungefähr dem letzten Ort, den er erwartet hätte. Es lag in der Hauptstadt Apsuma, umgeben von einem Park voll grüner und violetter Wiesen inmitten des Gässar-Sees.
Gador-Athinas drehte sich ein letztes Mal um: Das Wasser glitzerte inzwischen in den letzten Strahlen der Abendsonne. Das schlechte Wetter hatte sich verzogen. Auf den etwa zwanzig auf dreißig Meter durchmessenden Rasenflächen reckten sich die Blüten von Ewigblumen-Kolonien der Sonne entgegen und ließen ihre blitzenden Prismenlichter tanzen.
Khaika ging voran. Ihre Hüfte wiegte sich bei jedem Schritt unter dem braunen Kleid, das in Gador-Athinas' Vorstellung so wenig mit einem Nonnengewand gemein hatte wie der prächtige Stern von Apsuma mit einer Erdlochzelle von Jemingar. Der Stoff – wenn es sich denn um Stoff handelte und nicht um eine Art reflektierende Metallfolie – lag so eng an wie eine zweite Haut. Er zeichnete jedes Detail, jede Rundung nach; wäre die Nonne nackt gewesen, hätte sie kaum weniger verbergen können als mit diesem Kleid. Sogar ihre Brustwarzen konnten ...
»Sie flüstert wieder mit dem Stein«, riss Schechter ihn aus den Gedanken.
In der Tat.
Das tat sie.
Gador-Athinas hätte es fast übersehen. Oder nein ... er hatte es, weil es keine Rolle zu spielen schien.
Und als er wenige Minuten später allein in dem Raum saß, den er nun für einige Zeit bewohnen sollte, gingen ihm zwei Dinge im Kopf herum: eng anliegende Nonnengewänder und Kieselsteine.
Immerhin keine Killer und geplanten Mordanschläge, dachte er.
*
Später schlief er und stellte zu seinem Erstaunen fest, wie entspannt er aufwachte. Offenbar fühlte er sich in diesem Kloster sicher, was ihn selbst überraschte.
Als er sich hingelegt hatte, waren ihm kaum irgendwelche Details seiner Klause aufgefallen. Alles schien nun neu für ihn zu sein – wobei es nicht sonderlich viel zu sehen gab.
Die Einrichtung war sehr einfach gehalten. Die Wände und das Bett bestanden aus einem sehr dunklen, fast schwarzen Holz, auf dessen Oberfläche sich verwirrende, labyrinthische Maserungen zeigten.
Boden und Decke hingegen schienen aus Stein zu bestehen. Gador-Athinas schwang die Beine über die Kante der harten Liegestatt und setzte die nackten Füße auf: Das harte graue Material war kalt, die Oberfläche rau.
Kalt? Nein, vorn, im Bereich der Zehen, breitete sich Wärme aus. Der Tefroder verschob den Fuß, und angenehme Hitze kitzelte die Sohle. Er ging ein wenig auf und ab und erkannte ein Muster aus Wärmeadern, die den ganzen Boden durchpulsten. Er empfand einen seltsamen Frieden, als er die Linien ablief.
Nichts hinderte ihn auf seinem Weg; außer dem Bett gab es keine weiteren Einrichtungsgegenstände.
Es klopfte.
Gador-Athinas schaute an sich hinab. Zwar war er barfuß, doch er hatte weder die Hose noch seine Oberkleidung abgelegt. Nur die Schuhe standen ordentlich am Fußende des Betts. Kein Grund, sich vor einem Besucher zu schämen. Er ging zur schmalen,
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