2725 - Preis der Gerechtigkeit
ertappte sich dabei, an seinen Fingernägeln zu beißen; sie sahen ohnehin nicht gut aus: spröde und fast bis aufs Fleisch abgekaut.
Er nahm die Hand herunter. »Schechter!«, rief er aus der Steuerkanzel des Gleiters nach hinten.
Der Tomopat hielt sich im Laderaum auf, vielleicht schlief er. Vielleicht schlief Schechter aber auch nie, sondern war immer bereit, stets unter Strom.
»Was willst du, Patron?«
»Es hat sich eine Änderung ergeben.« Die Worte hörten sich seltsam an, als hätte ein anderer sie gesprochen – gekünstelt und im Tonfall eines Roboters. Gador-Athinas räusperte sich. »Wir werden den Gleiter endlich verlassen.«
»Wohin gehen wir?«
»Nach Tefor.«
Schechters Kopf erschien im Durchgang. Der Tomopat ähnelte einem Tefroder oder Terraner – nur dass seine Mimik unfertig aussah, unausgereift.
Wenn Gador-Athinas die Augen schloss, konnte er sich Schechters Gesicht kaum vorstellen, geschweige denn es beschreiben; und das nach der ganzen gemeinsam verbrachten Zeit. Es war, als wäre die Erinnerung daran nur ein Traum. Oder als wäre Schechter selbst nur ein Traum im Kopf eines anderen.
»Tefor. Interessant. Demnach besuchen wir das Zentrum der Macht«, sagte Schechter. »Ich gehe davon aus, dass deine Freunde beim Widerstand keine Narren sind. Wir werden also nicht das Attentat heute oder morgen ausführen wollen, sondern uns Zeit zur Vorbereitung lassen.«
»Du nimmst ...« Den Auftrag. »... das Angebot also an?«
Schechter schwieg.
Der Tefroder sah es als Zustimmung. Zumindest war es keine Ablehnung. Immerhin ein kleiner Erfolg. Er lenkte den Gleiter in Richtung der tefrodischen Hauptwelt, steuerte den Doppelkontinent Niper-Tevertar an.
Sie tauchten in die Atmosphäre ein, sanken der Oberfläche entgegen. Eine dichte Wolkenschicht blockierte die Sicht. Sie durchstießen die tief hängenden, schweren und regenfeuchten Wolken. Dicke Tropfen prasselten auf die Sichtscheibe des Gleiters, es war grau und trüb.
Nebelschwaden hingen über der Landbrücke, die die Teile des Doppelkontinents verbanden. Sie schienen mit dem Ozean zu verschmelzen. Aus der Höhe wirkten die Wellen winzig, doch wer dort unten stand, sah sich wohl meterhohen Brechern gegenüber.
»Das ist also das heutige Tefor«, sagte Schechter.
Gador-Athinas fühlte den verrückten Zwang, seine Heimat zu verteidigen: »Es gibt auch schönere Ecken ... mit besserem Wetter.«
»Du weißt, wo ich die letzte Zeit verbracht habe«, erwiderte der Tomopat. »Auf einer eisigen, gefrorenen Höllenwelt. Dagegen ist jedes Wetter schön. Stell dir eine Welt aus Feuer und Lavaseen vor, auf denen Überlebenshabitate schwimmen. Ich wäre mit Freuden dorthin gegangen. Alles ist besser, als jahrelang zu frieren. Immer. Auch in den sogenannten sicheren Zellen der Gefängnisstadt.«
Du hast also ... Befindlichkeiten? Deine Opfer würden heute gern frieren. Dann wären sie wenigstens nicht tot. Gador-Athinas nickte trotz dieses bitteren Gedankens. Er hatte kein Recht, abfällig über einen Auftragskiller zu richten, während er mithalf, diesem das nächste Opfer zuzuführen. Der Weg zu Vetris-Molaud würde einigen Blutzoll erfordern.
»Du hast recht«, sagte er deshalb. Es fühlte sich besser an als sein erster heuchlerischer Gedanke, für den er sich schämte.
Der Gleiter landete auf dem kleinen Raumhafen Elan-Dijtu. Alles war im Vorfeld natürlich perfekt geregelt worden. Es gab eine offizielle Landeerlaubnis, niemand stellte Fragen oder nahm gar eine Überprüfung vor.
Kelen-Setre wartete bereits auf die Neuankömmlinge.
Gador-Athinas öffnete das Einstiegsschott für den Besucher, und bald saßen sie zu zweit im Pilotenraum. Kelen-Setre war sein Kontaktmann zum Widerstand. Derjenige, der eine Stufe höher in der Hierarchie stand. Und sie beide waren Leidensgenossen: Sie hatten nahe Angehörige durch Aktivitäten des machtgierigen Tamarons Vetris-Molaud verloren. Gador-Athinas' Sohn war vor Kurzem während eines völlig unsinnigen Feldzugs gestorben ...
... genau wie bereits vor Jahren seine Frau, die zugleich Kelen-Setres Schwester gewesen war.
Von verwandtschaftlicher Verbundenheit war zwischen den beiden Männern allerdings nichts zu spüren. Sie mochten einander nicht, das glaubte Gador-Athinas mit Fug und Recht auch für Kelen-Setre behaupten zu können. Aber sie respektierten den jeweils anderen und arbeiteten am gemeinsamen Ziel – das verband sie vielleicht mehr als die Erinnerung an eine tote Frau, die vor vielen
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