2725 - Preis der Gerechtigkeit
hölzernen Tür und öffnete sie.
Es knarrte leise. Ein angenehmer Kontrast zur rein technischen Umgebung des Gleiters, dachte er. Es war so ... einfach. Wohltuend einfach.
Ein Mann stand im Türrahmen, der so wenig ein Mönch zu sein schien, wie Khaika an eine Nonne erinnerte. Der Gedanke versetzte ihm einen kleinen Stich. Hoffentlich sah er sie bald wieder.
Der Neuankömmling trug einen edlen schwarzen Anzug. Der Stoff über den Beinen wies drei markante, eingestanzte Zackenlinien in neongrüner Farbe auf, wie Gador-Athinas es nur aus diversen hochaktuellen Modeholos kannte – er hatte nie einen Tefroder getroffen, der so etwas tatsächlich trug. Die Haare des Mannes waren fingerlang und gelb wie die Strahlen der aufgehenden Sonne; über Stirn und Wange wickelte sich bis zum Hals ein geflochtener Zopf, in dessen letzten Zentimetern etwas in dunklem Lila glitzerte.
»Ich bin Vigureis«, sagte der Fremde. »Der Abt dieses Klosters. Ich bin gekommen, um dich willkommen zu heißen, Bruder und Gast.«
Unwillkürlich wanderte Gador-Athinas' Blick zu der linken Hand des Abts.
Der bemerkte den Blick offenbar und kombinierte ebenso scharfsinnig wie amüsiert: »Khaika hat euch empfangen, nicht wahr? Du wirst bei mir keinen Kieselstein finden.«
»Es ist kein Zeichen eures Glaubens?«
»Wir glauben an keinen Gott und kein sonstiges höheres Wesen, das wir auf die eine oder andere Art verehren. Etwas anderes hat uns in diesem Kloster zusammengeführt. Das Leben. Und eine sehr spezielle Erfahrung.«
»Und die wäre?«
Vigureis lächelte und entblößte makellos weiße Zähne. Einer der Augenzähne fehlte allerdings und war durch ein allzu auffälliges metallisches Implantat ersetzt worden. Ein winziger, scharfkantiger Edelstein steckte auf der Vorderseite. »Willst du mich nicht hineinbitten?«
Gador-Athinas trat zurück. »Oh, natürlich, es ist ... es ist dein Kloster.«
»Diese Klause nicht. Sie gehört dir, solange du unser Gast bist.« Vigureis kam in den Raum und schloss die Tür hinter sich: eine Illusion von abgegrenztem, privatem Schutzraum. Jeder könnte von außen mithören.
»Danke«, sagte Gador-Athinas, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte.
»Du weißt nicht, warum du bei uns zu Gast bist«, stellte Vigureis fest, und er klang überrascht. »Dein Freund hat dich hierher gebracht, ohne es dir zu sagen.«
Mein Freund, dachte Gador-Athinas verwirrt, bis ihm auffiel, dass der Abt natürlich nicht von Schechter sprach. Er redete von Kelen-Setre, der sofort nach der Ankunft wieder verschwunden war und versprochen hatte, bald zurückzukehren. Danach überlief ihn ein Schauer, als ihm klar wurde, wie sehr er Schechter bereits in dieser Rolle sah.
»Wir suchen ... uns selbst«, sagte der Abt. »Denn wer als Mönch oder Nonne zu uns kommt, hat sich verloren. Darum haben viele, wie soll ich es ausdrücken, besondere Eigenarten angenommen.«
»Wie etwa einen Kieselstein bei sich zu tragen und mit ihm zu reden?«
»Khaika erwartet nicht etwa Antworten von dem Stein«, stellte Vigureis klar. »Sie vertraut ihm geflüsterte Geheimnisse an.« So, wie er es sagte, klang es vollkommen logisch und vernünftig. »Niemand außer ihr ist jedoch bislang auf diese Idee gekommen, um sich selbst zu suchen.«
»Wieso hat sie sich selbst verloren? Und ... du meinst damit ihre Erinnerungen, richtig?«
»Mehr als das oder anderes – sie ist nicht mehr eins mit sich selbst, mit ihrem Bewusstsein, mit dem, was sie ausmacht. Die Person, die sie einst war, blieb bei den Skorpionen zurück.«
»Bei den ...«
»Bei den Skorpionen«, wiederholte Vigureis. »Du weißt, was ich meine.«
Und ob er das wusste. »Vetris«, sagte er.
»Wir mögen diesen Namen nicht«, erklärte der Abt. »Ich wäre dir dankbar, wenn du ihn nicht nennst.«
Vetris' Technoskorpione – die Leibwächter-Roboter, die den Tamaron oft umgaben und ihn meist begleiteten, wenn er sich irgendwo sehen ließ. Kaum jemand wusste mehr über diese seltsamen Geräte. Oder Lebewesen. Oder was immer sie waren.
»Was haben die Skorpione euch angetan?«, fragte Gador-Athinas.
Vigureis schloss die Augen. »Ich weiß es nicht. Und ich kann ohnehin nur für mich sprechen. Selbst da erinnere ich mich erst ab einen bestimmten Moment. Ich war in Gefangenschaft. Der Geheimdienst hatte mich in Verdacht, ein Staatsverräter zu sein. Die Gläserne Insel, du weißt schon. Nachdem sie mich entführt haben, verblasst meine Erinnerung – ich erwache dann in einem
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