2727 – Am Gravo-Abgrund
lief weiter.
Sie hetzten an einem Gebäude mit einer Schlagballhalle vorbei, aus der eine Gruppe Menschen in Sportbekleidung floh. Auf der anderen Seite wirbelten Glut und Asche von einem Lagerfeuer durch die Luft und entzündeten einen Heidelbeerstrauch.
»Zu mir!« Ein kleiner, breitschultriger Onryone in schreiend bunter Kleidung winkte Toufec. Neben ihm schwebte ein Medoroboter. Der Onryone stand vor einem Gleiter. Er gehörte zu einer von fünf Einheiten, die in strategisch günstigen Abständen auf dem Strandabschnitt am Ufer gelandet waren. Offensichtlich, um die Gefährdeten zu evakuieren.
Sari drückte sich ganz fest an Toufec. Er spürte, wie ihr Herz raste und sie die kleinen Finger wie Krallen in ihn schlug.
»Kannst du zu deiner Mama laufen, Sari?«, fragte er.
Sie klammerte sich noch fester an ihn, stieß aber ihr Kinn gegen seine Schulter, was ein Nicken war. Toufec setzte sie ab, und sie taumelte ihrer Mutter entgegen.
»Na los!« Er wies der Mutter den Weg. Sie packte Sari an der Hand und rannte weiter, auf den onryonischen Gleiter zu.
Toufec drehte sich um. »Shanda?«
Sie stand mehrere Meter entfernt. »Toufec!«
Es krachte und splitterte auf Toufecs anderer Seite.
Instinktiv fuhr Toufec herum und wich zurück. Das Gebäude der Schlagballanlage stürzte mit infernalischem Lärm in sich zusammen. Es sah aus, als hätte ein unsichtbarer Riesenhammer die Halle getroffen. Trümmerstücke rasten waagrecht auf Toufec zu.
Mit einem beherzten Satz entkam Toufec den Brocken, doch der Sturz auf den Boden blieb aus. Er spürte, wie sein Körper leichter wurde und er wie auf einem Luftkissen nach oben stieg.
Toufec fluchte. Er war in ein Antigravfeld geraten.
Er kannte es von Aures. Anstatt den Sand wieder zu erreichen, driftete Toufec fort, zwei Meter über dem Boden. Er zwang sich, die Arme anzulegen, um nicht in eine Drehbewegung zu geraten.
Toufec hatte das Gefühl, an Füßen und Händen umklammert und in die Länge gezogen zu werden.
Schweiß brach ihm aus. Unwillkürlich dachte er an die Puppe, die es zerfetzt hatte. Würde irgendeinem Gravofeld gelingen, wovon die Rechtshüter in der Nefud und die onryonischen Besatzer Lunas bisher nur geträumt hatten?
Trotz seiner Angst kam ihm ein Spruch in den Sinn, den Asin vor langer Zeit gesagt hatte: »Wir machen Pläne. Und Ruda lacht darüber.«
*
»Toufec!« Shanda drehte sich im Kreis. Ihr Herz pochte in der Halsschlagader.
Es war nicht nur das Mädchen, das in Gefahr geraten war.
Hilferufe und Schreie mischten sich mit dem Krachen einstürzender Gebäude und zersplitternder Bäume. Ein Boot schwebte zehn Meter über dem Ufer. Sein schlanker Schatten fiel auf den Sand. Wasser tropfte wie Regen zu Boden.
Die Umgebung verwandelte sich innerhalb weniger Momente in ein heilloses Chaos.
Shanda hatte Mühe, die Panik der anderen auszublenden. Das Gefühl von Todesangst überkam sie. In ihrem Inneren hörte sie die mentalen Rufe der Verzweifelten. Über fünfzig Lunarer trieben in der Umklammerung von Gravophänomenen.
Neben ihr sprintete Toufec los – in die Richtung des fliegenden Mädchens.
Sie wollte ihm folgen, doch Shanda gelang es nicht, sich zu bewegen. Der plötzliche Stimmungswandel traf sie unvorbereitet. Angst verwandelte ihre Füße in Blei. Unvermittelt sah sie sich als Kleinkind, zusammengekauert unter einem Tisch, hilflos den Gefühlen der Umgebung ausgeliefert. Es gab nur einen Weg, zu entkommen: Sie musste fliehen, in eine Trance fallen und die Welt ausblenden.
»Komm schon!«, presste Shanda zwischen den Lippen hervor, um sich Mut zu machen.
Die Zeiten, in denen ihre telepathischen Fähigkeiten sie beherrscht hatten, waren lange vorbei.
Shanda zog eine Trennlinie, drängte die Empfindungen von Angst und Panik zurück. Ihre eigene Furcht reichte voll und ganz aus.
Der Korb mit Heidelbeeren krachte gegen ihre Schulter und riss sie endgültig aus der Erstarrung.
Stolpernd eilte sie hinter Toufec her. Sie sah, wie er dem abstürzenden Mädchen entgegenhechtete.
Mehrere Gleiter setzten auf den Strandboden auf. Uniformierte Onryonen sprangen heraus und riefen Lunarer zu sich.
Die neue Situation irritierte Shanda und lenkte sie von Toufec ab. Sie musste Abstand zu den Besatzern halten.
Als sie wieder nach Toufec schaute, setzte er das Kind ab, schickte es zu seiner Mutter und drehte sich zu ihr um.
»Shanda!«
Sie blieb stehen. Neben Toufec stürzte die Halle ein. Sand und Erde wirbelten in die Höhe und
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