279 - Der Fluch von Leeds
schadlos den jahrhundertelangen Winter nach »Christopher Floyd« überstanden. »Prototyp XP-1« lautete seine Bezeichnung und er gehörte genauso wenig in diese postapokalyptische Welt wie der Mann, der das Amphibienfahrzeug in diesem Augenblick in die Waldschneise steuerte: Commander Matthew Drax.
Geboren 1980 in Riverside bei Los Angeles, hätte der einstige Pilot der US Air Force überhaupt nicht hier sein dürfen. Hätte! Doch am 8. Februar 2012 - dem Tag, an dem er mit seiner Staffel die Auswirkungen des Raketenbeschusses auf den Kometen beobachtet hatte - war er innerhalb eines Sekundenbruchteils samt seinem Düsenjet in die Zukunft katapultiert worden: in das Jahr 2516 einer zerstörten Welt. Einer Welt, die nur noch wenig zu tun hatte mit jener, in der Matt Drax einst aufgewachsen war.
Doch der Mann aus der Vergangenheit war inzwischen Teil von ihr geworden. Hatte auf seinen Reisen durch die Kontinente Gefährten gefunden und die Frau, der sein Herz gehörte: Aruula, eine Kriegerin vom Volk der Dreizehn Inseln. Immer wieder riskierte er Kopf und Kragen, um die, die ihm lieb und teuer geworden waren, zu schützen.
So suchte er seit Jahren schon nach einer Möglichkeit, einer drohenden Gefahr aus dem All Herr zu werden - dem Streiter . Er hatte in einer Vision miterlebt, wie die gesichtslose kosmische Wesenheit auf der Jagd nach Beute ganze Planeten verschlungen hatte. Nun war sie auf dem Weg hierher - denn auch auf der Erde hatte sich bis vor kurzem ein so genannter Wandler befunden. Matt wusste nicht, warum diese riesigen eiförmigen Kreaturen vom Streiter gejagt wurden. Er ahnte aber, dass die Wesenheit sehr wütend sein würde, wenn sie erkannte, dass der Wandler längst nicht mehr hier war…
Auch jetzt dachte Matt an den mächtigen Zerstörer. Jederzeit konnte er durch ein Schwarzes Loch die Erde erreichen und über sie herfallen. Die Hoffnung, den in der Antarktis gelegenen Flächenräumer zu reaktivieren, eine uralte Waffe der Hydriten, hatte sich nicht erfüllt. Nun machte man sich auf dem Mars Gedanken über eine effektive Abwehr der dunklen Wesenheit, seit er die dortige Regierung informiert hatte. Vielleicht fand man eine Möglichkeit, das irdische Magnetfeld, das sich durch den Kometeneinschlag verschoben hatte, zum Flächenräumer umzuleiten, damit er sich wieder auflud.
Matt Drax fuhr sich durch sein kurzgeschnittenes blondes Haar. Er saß vor der Computerkonsole im geräumigen Cockpit des Panzers, den Aruula kurzerhand »PROTO« getauft hatte. Der Copilotensessel links neben ihm - es war ein britisches Modell und somit auf Linksverkehr ausgelegt - war leer. Aruula und Xij schliefen in den Kojen im mittleren Bereich ihrer fahrenden Unterkunft. Es musste, laut Borduhr, kurz nach Sonnenaufgang sein, doch so genau war das nicht festzustellen, denn das Unwetter machte den Tag draußen zur Nacht.
Drinnen erhellte gedämmtes Licht die Kommandobrücke. Es roch nach Kunststoff und Harz. Über Matts Kopf war das leise Summen der Deckendüsen zu hören, die das Innere PROTOs mit Frischluft versorgten. Manchmal übertönte Xijs Stimme das monotone Geräusch. Die junge Frau, die sie vor einigen Wochen an der Nordostküste Schottlands kennengelernt hatten [1] und die sich selbst Xij Hamlet nannte, sprach im Schlaf. Fast jede Nacht. Und in verschiedenen Sprachen! Matt hatte es inzwischen aufgegeben, herauszufinden, was Xij im Traum so beschäftigte. Sie redete nicht gerne darüber. Überhaupt redete sie nicht gerne über sich. Selbst die Ursache für ihre violett gefärbte Zunge gab sie nicht preis.
Auch nach den vielen Tagen, die sie nun gemeinsam reisten, blieb die knabenhafte Frau für den Piloten aus Riverside ein Buch mit sieben Siegeln. Sicher war nur, dass sie über ein Wissen verfügte, das sie sich kaum in neunzehn Lebensjahren erworben haben konnte. Besonders ihr Geschick auf technischem Gebiet verblüffte Matt immer wieder. War sie vielleicht doch eine Zeitreisende? Was auch immer. Bei dem Problem mit dem Streiter würde auch sie nicht weiterhelfen können.
Drax rieb sich die müden Augen. Er wollte die Hoffnung auf ein Wunder nicht aufgeben. Gerade jetzt, wo die Versteinerten auf den Dreizehn Inseln wieder zu Fleisch und Blut geworden waren. Er hoffte inständig, dass auch alle anderen Versteinerten ins Leben zurückgekehrt waren, vor allem die Technos auf Guernsey und die Bewohner des irischen Küstendorfes Corkaich; des Dorfes, in dem seine Staffelkameradin Jennifer Jensen und ihre
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