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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fallen jubelnd über die Leiche des ‚Wüstenkönigs‘ her, schlagen sie, treten sie mit Füßen, spucken sie an und bewerfen sie mit allen möglichen und unmöglichen Schandwörtern und Schimpfreden. Das geschieht nie in der Nacht, sondern stets am Tag. Daß aber ein einzelner Europäer in dunkler Nacht den Löwen an der Tränke erwartet oder aufsucht, um ihn durch einen Schuß in das Auge oder in das Herz zu erlegen, das ist für diese Leute eine Fabel, eine vollständige Unmöglichkeit; das glauben sie einfach nicht, und so nahm ich es dem Führer auch nicht übel, daß er glaubte, ich wolle ihn mit einer ‚schönen Lüge‘ unterhalten.
    „Er hat Löwen getötet!“ fuhr er lachend fort. „Mit einem Schuß! Des Nachts! Und er war ganz allein! O Allah, o Mohammed, welch ein gewaltiger Held doch dieser unser Effendi ist! Ich möchte ihn einmal so als Sijad es Saba (Löwenjäger) sehen!“
    „Wünsche dir das nicht“, warnte ich, doch nicht etwa in beleidigendem Ton. „Dieser dein Wunsch könnte nur dadurch, daß der Löwe käme, in Erfüllung gehen, und ich glaube nicht, daß du dich über dieselbe freuen würdest.“
    „Sogar sehr, sehr würde ich mich freuen“, meinte er, noch immer lachend. „Ich fürchte mich ebensowenig wie du vor ihm. Der Menschenfresser ist ein ungeheuer großes Tier, und wenn ich ihn nahe genug herankommen lasse, kann ich ihn gar nicht fehlen. Was ein Deutscher vermag, der nicht einmal hier geboren ist, das kann auch ich, der ich ein Sohn diese Landes bin. Ich biete dir eine Wette an, daß ich, wenn der Löwe kommt, ganz dasselbe tue, was du unternimmst.“
    „Gut! Um was wetten wir?“
    „Setzt du deine Uhr und dein Fernrohr gegen meine Visionsflinte?“
    „Ja.“
    „Und du scherzt auch nicht?“
    „Nein. Gehst du also die Wette ein?“
    „Ja; ich schwöre es bei Allah und dem Bart des Propheten. Willst du etwa zurücktreten?“
    „Nein. Du hast bei Allah und dem Bart des Propheten geschworen und kannst also auch nicht zurück. Erst widersprachst du mir aus Unglauben; dann kam dir das Verlangen nach der Uhr und dem Rohr. Du glaubst, dieser beiden Gegenstände sicher zu sein, da du überzeugt bist, daß ich, falls der Löwe ja erscheint, ganz hübsch und vorsichtig am Feuer sitzen werde. Aber du irrst dich.“
    Er sah eine Weile vor sich nieder, dann sagte er:
    „Ich will dich nicht beleidigen, aber ich glaube dir nicht.“
    „Und ich denke zwar nicht, daß das Tier kommen wird, aber falls es kommt, werde ich dir beweisen, daß du dich irrst. Die Wette gilt?“
    „Ja; ich habe ja geschworen.“
    „So bitte deinen Propheten, den Löwen fernzuhalten. Wenn er dir diesen Wunsch nicht erfüllt, ist es um deine berühmte Visionsflinte geschehen. Jetzt wollen wir über unseren Gefangenen –“
    Ich wurde unterbrochen, denn es erschien am westlichen Rand der Lichtung ein Kamelreiter, welcher bei unserem Anblick ziemlich betroffen halten blieb und uns betrachtete. Er schien im Zweifel darüber zu sein, ob es besser sei, an uns vorüberzureiten oder nach dem Brunnen einzubiegen, doch entschloß er sich für das letztere, trieb sein Tier auf uns zu, stieg ab und sagte:
    „Ehe ich den Sallam über meine Lippen gehen lasse, sagt mir, wer euer Anführer ist!“
    „Ich bin es“, antwortete ich.
    „Das sind Soldaten; du scheinst aber kein Askari zu sein. Wie soll ich es mir erklären, daß du dich deren Anführer nennst?“
    „Macht die Uniform den Askari?“
    „Nein. Ich will dir glauben. Warum habt ihr die Leute, welche hier am Boden liegen, gefesselt?“
    „Sie sind Gefangene von uns, Sklavenjäger.“
    „Das ist doch kein Verbrechen?“
    „Nun, dann Menschenraub!“
    „Sklaven, überhaupt Schwarze, sind keine eigentlichen Menschen. Du wirst diese Männer also freilassen!“
    Der Mann war wohl etwas über dreißig Jahre alt, hager und trug einen dunkeln, nicht sehr dichten Vollbart. Sein Gewand war weiß gewesen, jetzt aber nicht mehr von allzu reinlichem Aussehen. Der Ausdruck seines Gesichts war streng, düster asketisch. Er stand gerade und stolz aufgerichtet vor mir, und seine Augen blickten mich fast drohend an, als ob er und nicht ich es sei, der zu befehlen hatte. Ich ahnte nicht, daß dieser Mann später als Mahdi eine so hervorragende Rolle spielen werde.
    „Werde ich?“ fragte ich ihn. „So! Mit welchem Recht und aus welchem Grund erwartest du denn, daß ich dies tun werden?“
    „Weil ich es sage, der Fakir el Fukara.“
    „Schön! Und ich bin der Askari

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