28 - Im Lande des Mahdi II
erschießen lassen.“
Ich ging. Eine unverfälschte Orientalin! Ihr Bruder war gefangen; was man mit ihm vornahm, welche Verluste ihn erwarteten, das ging sie nichts an; er durfte leben bleiben und so kochte sie sich noch einen Kaffee! Und die Schwester dieses indolenten Wesens hätte meine Frau werden sollen, falls ich bereit sein würde, Sklavenjäger zu werden!
Dann saß ich mit Ben Nil und dem Dinka draußen, um den arabischen Trank zu erwarten. Als Fatma ihn brachte, folgten ihr die beiden schwarzen Dienerinnen, welche uns Tabak und Pfeifen brachten, natürlich Eigentum des Türken. Wir bekamen den Kaffee nicht fertig zubereitet, sondern kochendes Wasser und die zerstoßenen Bohnen. Ich bereitete mir eine Tasse, trank sie aus, brannte eine Pfeife an und ging dann, um im Mondenschein den Umfang der Seribah kennenzulernen. Derselbe war bedeutender, als ich gedacht hatte. Der hintere Teil war von dem vorderen durch nebeneinander eingerammte Pfähle abgesperrt und zur Aufnahme der Herden bestimmt, welche bei jedem Sklavenzug mit den Schwarzen zugleich geraubt und weit fortgetrieben werden. Jetzt war dieser Platz leer.
Die übrigen Stunden der Nacht vergingen schnell. Als der Tag graute, erhob sich der gewöhnliche Morgenwind, welchen der Emir benutzen konnte, um heranzusegeln. Ich ließ den Dinka als Wächter an der Grube zurück und ging mit Ben Nil, um beim Licht des Tages die Tokuls zu untersuchen.
Die meisten waren leer, da die Bewohner sich auf Sklavenjagd befanden. Doch entdeckten wir noch Waffen und Munition. Eine Hütte enthielt Vorräte aller Art, auch eine Kiste mit Kleidungsstücken, unter welchen sich ein Anzug befand, welcher mir leidlich zu passen schien. Ben Nil fand auch einen, der ihm behagte. Der Umtausch wurde bewerkstelligt, und als wir die Hütte verließen, hatte ich mich so zu meinem Vorteil verändert, daß mir der Gedanke kam, der Turteltaube einen nun auch in Beziehung auf das Kostüm würdigen Morgenbesuch zu machen, um ihr für den Kaffee und die Pfeifen Dank und Anerkennung auszudrücken. Leider aber belehrte mich, als ich die vordere Abteilung betrat, ein höchst energisches Schnarchquintett, daß wenigstens innerhalb des Tokuls die Sonne noch nicht aufgegangen war. Ich mußte also darauf verzichten, meine neuen, äußeren Vorzüge anerkannt und bewundert zu sehen.
Ich hatte mir vorgenommen, noch vor der Ankunft des Schiffes den Türken abermals vorzunehmen. Ich gedachte, von ihm manches zu erfahren, was uns wichtig sein mußte. Darum verfügte ich mich wieder zu der Grube. Als ich hinabblickte, sah ich, daß die Gefangenen allerdings von ihren Fesseln sich befreit hatten; aber ein Fluchtversuch war von ihnen nicht gewagt worden. Sie lagen nebeneinander im Schmutz, schliefen jedoch nicht. Murad Nassyr sah mich stehen und rief mir zu:
„Effendi, ich bitte dich um eine Gnade! Laß mich nur für eine Minute zu dir hinauf! Ich habe mit dir zu sprechen.“
„Du bist es nicht wert; aber komm!“
Wir ließen die Leiter hinab, und er kam heraufgestiegen. Er war so angegriffen – wohl mehr innerlich als äußerlich –, daß er nicht stehenblieb, sondern sich wie schwer ermüdet niedersetzte.
„Du hast mir böse, böse Stunden bereitet!“ seufzte er, indem er den Ellenbogen auf das Knie stemmte und den Kopf in die Hand legte.
„Ich? Du selbst bist schuld daran. Du ganz allein! Wir Christen haben ein Sprichwort, welches sagt: Tue nichts Böses, so widerfährt dir nichts Böses!“
„Ich habe doch nichts getan, was meinen Tod rechtfertigen kann!“
„Ich hatte gar nichts Böses, sondern nur Gutes getan, und doch seid ihr entschlossen gewesen, mich umzubringen.“
„Das ist nun vorüber, vollständig vorüber, Effendi! Ich sehe ein, daß es die größte Dummheit meines Lebens war, mich so tief in den Sudan hineinzuwagen. Wie gerne kehrte ich zurück, augenblicklich zurück!“
„Um dort den Sklavenhandel fortzusetzen!“
„Nein. Es gibt andere Waren, welche man kaufen und verkaufen kann. Effendi, laß mich fort, so schwöre ich dir bei Allah, beim Propheten und bei der Seligkeit aller meiner Ahnen und Nachkommen, daß ich niemals wieder einen Sklaven verkaufen werde!“
„Dieses Versprechen genügt mir nicht, weil es keine hinreichende Bezahlung ist für das, was ich dir vorzuwerfen habe.“
„Was verlangst du denn noch?“
„Eigentlich nichts, gar nichts weiter als dein Leben.“
Er legte das Gesicht in beide Hände und schwieg. Nach einer Weile sah er zu mir
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