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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Personen, den Türken nicht mitgerechnet, davongegangen waren, ohne wiederzukommen, das sagte ihnen, daß da oben irgend etwas geschehen sei. Sie sprangen aus den Booten und kamen herbeigeeilt, an mir vorüber. Der erste kroch hinein; der zweite schob sich ihm sofort nach. Drin gab es einen Schrei, der dritte folgte, wollte wieder zurück, bekam aber von dem vierten einen Stoß, der ihn nach innen brachte. Abermals ein Warnungs- oder Schreckensruf! Der vierte wich zurück. Er hatte gesehen, was drin passierte, und drehte sich um. Da stand ich mit angelegter Flinte vor ihm und befahl:
    „Hinein, sonst jage ich dir eine Kugel durch den Kopf!“
    „O Himmel! Der Effendi!“ rief er aus.
    „Ja, der Effendi! Vorwärts, wenn dir dein Leben lieb ist!“
    Ich trat näher an ihn heran und setzte ihm die Mündung auf die Brust. Er hätte das Gewehr zur Seite schlagen können; das fiel ihm aber gar nicht ein; er drehte sich um, kroch durch das Loch, und ich folgte ihm. Da standen Ben Nil, der Steuermann und der Dinka mit erhobenen Gewehren und vor ihnen die Asaker in so trauriger Haltung, daß es mir nicht möglich war, den Ernst zu bewahren. Ich lachte lustig auf. Meine Gefährten stimmten ein, und Ben Nil rief:
    „Ja, ja, ihr tapfern Männer, hier werden andere Fische gefangen, als da unten im Wasser. Die Fische seid ihr selbst. Werft eure Messer weg, sonst schießen wir!“
    Sie gehorchten, und wir banden ihnen die Hände hinten zusammen. Nun untersuchte ich die vier Träger, welche meine Kolbenhiebe empfangen hatten. Sie lagen still, waren aber ganz wohl bei Besinnung. Die letzten vier Asaker waren nicht an den Füßen gebunden, so daß sie nach der ‚Grube der Strafe‘ gehen konnten, die übrigen wurden hingetragen. Wir legten die Leiter an, und ließen einen nach dem andern hinabgleiten. Den Türken und den Feldwebel behielt ich bis zuletzt zurück. Ich zog mein Messer und sagte zu dem ersteren:
    „Murad Nassyr, jedes Schweigen auf eine meiner Fragen kostet dich einen Finger. Ich zahle gern mit gleicher Münze heim. Antworte also schnell und der Wahrheit gemäß! Seit wann ist Ibn Asl von hier fort?“
    „Seit fünf Tagen“, beeilte er sich zu sagen, „mit über zweihundert Leuten.“
    „Kennst du den Dinka, welcher da neben mir steht?“
    „Ja.“
    „Nun wirst du wohl ahnen, daß ich nicht so dumm war, mich von ihm betrügen zu lassen. Wir haben euern Brief gelesen, und der Raïs Effendina befindet sich nicht drüben im Bahr el Dschebel, sondern liegt mit seinem Schiff in solcher Nähe von hier, daß ich ihn fast mit meiner Stimme herbeirufen könnte. Morgen früh wird er kommen, und dann wirst du gerichtet. Du wirst sterben, und zwar eines so qualvollen Todes, wie noch nie ein Mensch gestorben ist.“
    „Erbarmen, Effendi, Erbarmen!“ rief er aus.
    „Sprich nicht von Erbarmen! Du hättest mit mir auch keines gehabt. Leben um Leben, Blut um Blut, Gleiches um Gleiches, du wirst gerade so behandelt, wie du mich behandeln wolltest.“
    „Ich hätte dir verziehen!“
    „Verziehen? Was hattest du mir zu verzeihen? Wer ist's, der zu verzeihen hat? Bist du es, oder bin ich's? Wie oft hast du geglaubt, über mich triumphieren zu können, und hast doch stets die Übermacht des Guten fühlen und erfahren müssen. Ich hatte Geduld mit dir, nun aber ist meine Nachsicht zu Ende. Mit dir ist's aus. Sobald es Tag geworden ist, wird die Sonne deinen Tod bescheinen!“
    „Sage das nicht. Effendi, sprich nicht solche Worte! Du bist ein Christ!“ jammerte er.
    „Ein Christenhund! So habt ihr mich und so hast du mich vorhin genannt. Erwarte von einem Hund kein Erbarmen! Ein Hund kämpft gegen seinen Feind, und wenn er stärker ist als dieser, zerreißt er ihn. Ihr beruft euch auf unsere milden Lehren nur dann, wenn sie euch von Nutzen sind. Ich habe mit dir nichts zu schaffen und wiederhole nur: Mit dir ist's aus!“
    „Effendi, denke an meine Schwester! Was soll aus ihr werden, wenn man mich getötet hat!“
    „Ihr Los wird jedenfalls ein besseres sein als dasjenige, welches du ihr zugedacht hattest. Ibn Asls Weib zu sein ist das schrecklichste Schicksal, welches ich mir denken kann. Werft ihn hinab; ich habe nichts mehr mit ihm zu schaffen!“
    Ich richtete diese Aufforderung an meine Gefährten, welche ihn auf die Leiter legten und in die Grube gleiten ließen. Der Feldwebel wurde ihm nachgeschickt. Es war nicht Hartherzigkeit, nicht Rachsucht, daß ich in dieser Weise mit ihm redete, sondern ich wurde von der

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