28 - Im Lande des Mahdi II
auf und sagte:
„So mach es kurz, und schieß mich hier auf der Stelle nieder!“
Was war das für ein Gesicht! Der Mann schien in diesen wenigen Stunden zehn, fünfzehn Jahre älter geworden zu sein. Es sah wirklich aus, als ob Falten in seine vollen Wangen gefallen seien. Das freute mich; das hatte ich gewollt. Darum sagte ich in einem weniger strengen Ton:
„Murad Nassyr, denke an die Stunde, in welcher wir uns in Kahira trafen. Ich kannte dich nicht; du aber hattest mich in Algier gesehen und auch von mir gehört. Du erzähltest mir das und ludst mich zu dir ein. Ich fand Wohlgefallen an dir und zeigte mich bereit, mit dir nach Karthum zu gehen. Wir wurden Freunde. Da erfuhr ich, daß du Sklavenhändler seist, was du mir verschwiegen hattest. Du machtest mir sehr günstige Anträge, die ich aber unmöglich annehmen konnte. Wir mußten scheiden. Eigentlich waren wir nun fertig miteinander, du aber warfst Haß und Rache auf mich und wurdest ein grimmiger Feind von mir. Das war nicht wohlgetan; das war nicht klug. Du kanntest mich als einen Mann, der seine eigenen Wege geht und seine eigene Art und Weise hat, der außer Gott nichts fürchtet und auch vor keiner List die Segel streicht. Eines solchen Mannes Feind hättest du schon aus bloßer Klugheit, aus reiner Berechnung nicht werden sollen. Du bist es trotzdem geworden, hast Karte um Karte verloren und sitzest nun heute mit leeren Händen vor mir, der ich dir sämtliche Trümpfe abgenommen habe. Du dauerst mich. Ich bin dein Freund gewesen und habe das nicht vergessen können; ich kann es auch jetzt, in diesem Augenblick, nicht vergessen und möchte dir die Hand zur Hilfe reichen. Aber nicht ich, sondern der Raïs Effendina hat über dich zu bestimmen. Er wird deinen Tod verlangen. Wenn ich mir dein Leben von ihm erbitte, muß ich ihm dafür mehr bieten können als das Versprechen, welches du mir soeben gabst.“
„So sage, was!“
„Den klaren, sichern Beweis, daß es dir Ernst ist, mit dem Sklavenhandel zu brechen. Sage dich von Ibn Asl los! Das ist der Beweis, welchen ich von dir verlange.“
„Das forderst du? Weiter nichts?“ fragte er, indem sein Auge wieder Glanz bekam. „Nichts leichter als das! Ich habe eingesehen, daß dieser Mann mein böser Dämon gewesen ist, daß er mein böser Geist bleiben will. Warum verlangte er meine Schwester? Warum nimmt er sie nicht, da ich sie ihm bringe? Warum lockte er mich mit ihr weiter und immer weiter in die Wildnis hinein? Welchen Zweck kann das haben?“
„Jedenfalls einen für dich und deine Schwester schlimmen.“
„Erst sollte die Hochzeit in Karthum sein, dann in Faschodah, dann hier in Aliab. Und nun wir hier angekommen sind, zieht er wieder weiter fort und läßt uns allein mit Menschen, welche ich nicht kenne und zu denen ich kein Vertrauen fassen kann!“
„Du besitzt nicht den Scharfblick, welcher nötig ist, diesen Teufel zu durchschauen. Ich an deiner Stelle wüßte längst, was er mit mir will. Ich hätte ihm Fallen gestellt, in die er sicherlich geraten wäre. Ich durchschaute dich bereits in Kahira, ohne daß du es ahntest. Du mußtest mir sagen, was ich wissen wollte, ohne daß du wußtest, daß ich dich dazu zwang. Auf ganz dieselbe Weise hätte auch Ibn Asl sich mir mitteilen müssen. Denke an den höllischen Verrat, den er gegen die armen Dinka beabsichtigt! Sie sind seine Verbündeten; er hat ihnen Lohn versprochen, und doch will er sie später, nachdem sie für ihn gearbeitet und ihr Blut vergossen haben, zu Sklaven machen und verkaufen! Ist so ein Mensch nicht fähig, ebenso schlecht und vielleicht gar noch schlechter gegen dich zu handeln? Er hat Hafid Sichar überfallen und verkauft, um zum Vermögen dieses Mannes zu kommen. Auch du bist reich; er hat viel, fast alles verloren; er braucht Geld. Warum zieht er dich hinter sich her? Warum entfernt er dich von den Gegenden und Orten, wo man dein Verschwinden, deinen Tod bemerken würde?“
„Effendi!“ schrie er auf. „Meinst du so etwas?“
„Jawohl. Etwas anderes nicht!“
„Vielleicht hast du recht. Ja, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr will es mir scheinen, daß dein Scharfsinn, wie sonst stets, so auch hier das Richtige trifft.“
„So kehre um! Weißt du, wohin Ibn Asl ist?“
„Zu den Gohk.“
„Kannst du mir den Weg, den er eingeschlagen hat, beschreiben?“
„Ich habe geschworen, kein Wort darüber hören zu lassen.“
„Einen solchen Schwur zu halten, ist Sünde. Wir wollen den bedrohten
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