282 - Der Schein trügt
Schattenwesen, die das Dorf überfallen hatten. »Hast du die Schatten gesehen?«, fragte er.
Die nur spärlich bekleidete Halbnosfera schüttelte den Kopf. Zu ihren Füßen wimmerte Sir Leonard und presste sich ein Stück Stoff auf seinen Fingerstumpf. »Sie sind weg. Einfach verschwunden, von einem Moment auf den anderen. Vielleicht haben sie Victoria ja mitgenommen.«
»Unsinn! Du hast sie ausgesaugt, gib es zu!« Sarah Kucholsky gab sich ihrer Wut hin. Vielleicht half ihr das über die Ungewissheit und die Angst hinweg. Fahka fühlte es ihr nach. All die Toten, die Breedy mit ihrem verseuchten Blut direkt oder indirekt auf dem Gewissen hatte, tauchten vor seinem inneren Auge auf. Totenbleiche Gespenster: Sir Jefferson Winter, Cinderella Loomer, Sarahs Geliebter Sam und einige andere Inselbewohner…
Er sah, wie sich Sarah Kucholsky bückte und einen faustgroßen Stein aufhob. Mit aller Kraft warf sie ihn - und traf.
Breedy brüllte wie ein gepeinigtes Tier. Sie taumelte, krümmte sich zusammen und presste ihre Hände auf die linke Brust. Dunkles Blut bedeckte plötzlich ihren Ausschnitt.
Als sei Sarah Kucholskys Handeln eine Art Initialzündung gewesen, flogen gleich darauf weitere Steine gegen das Halbblut. Es wurde an Kopf und Körper getroffen, sank zusammen und richtete sich wieder auf. Röchelnd und Blut spuckend versuchte es sich in Richtung Hinterland zu schleppen.
»Bringt sie um!«, brüllte Sarah. Sie hielt bereits den nächsten Stein in der Hand. »Sie hat all das Unglück über uns gebracht!«
»Nein!«
Die brüchige Stimme ließ alle in der Bewegung einfrieren. Sir Leonard Gabriel stemmte sich mühsam hoch, die verletzte Hand unter die Achsel geklemmt. »Lasst sie gehen!«, forderte er.
Eve Neuf-Deville richtete den Arm auf ihn. »Du bist von ihr beeinflusst, Leonard!«, sagte sie. »Du weißt nicht, was du sagst!«
»Doch, das weiß ich sehr wohl«, entgegnete der ehemalige Prime. »Sie hat nicht länger Macht über mich, das spüre ich. Aber sie gehört auch nicht zu uns.«
Er fühlt es auch , ging es Sir Ibrahim durch den Kopf. Dieses Gefühl, mit den anderen eins zu sein!
Die Gruppe zögerte. Schließlich ließ Sarah die Hand sinken und öffnete sie. Das Wurfgeschoss kullerte zu Boden.
Mit ihr ließen auch die anderen die Steine fallen. Sie alle schauten Breedy nach, die schwer verletzt in Richtung Wald taumelte.
»Wir lassen sie gehen«, stimmte auch Ibrahim Fahka zu. »Mag das weitere Schicksal über sie richten. Und nun kümmern wir uns um Leonard.«
Sie führten den ehemaligen Prime und Ex-Tyrannen in seine Hütte zurück. Sarah Kucholsky verödete die Fingerwunde mit einer Laserpistole und legte einen Verband an. Glücklicherweise hatte Gabriel noch nicht so viel Blut verloren, dass eine Transfusion lebensnotwendig gewesen wäre. Sie betteten ihn auf seine Schlafstatt und ließen ihm seine Ruhe.
***
Es war tiefe Nacht, als Sir Leonard wieder erwachte. Zur Erleichterung aller schien er wieder ganz der Alte zu sein. »Dieses verfluchte Halbblut hat mich beeinflusst«, erkannte er. »Aber das ist nun vorbei, ich bin wieder Herr meines eigenen Willens. Gut, dass ihr Breedy vertrieben habt.«
Obwohl sie alle die Verbundenheit mit Leonard Gabriel spürten, war das Misstrauen noch nicht ganz überwunden. Er hatte sich in den vergangenen Jahren unter Breedys Einfluss schon öfters als äußerst hinterhältig und berechnend erwiesen. Sarah Kucholsky schlug eine Blutprobe vor, und Gabriel ging bereitwillig darauf ein.
Zu ihrer aller Erstaunen war das »Terror-Gen«, also das Virus, das Breedy Leonard mit ihrem Biss eingepflanzt und das ihn langsam wahnsinnig und unberechenbar gemacht hatte, völlig verschwunden!
»Das gibt's einfach nicht«, murmelte Sarah Kucholsky immer wieder, obwohl die Tatsache, dass Leonard plötzlich wieder bei Kräften war, bereits auf die Veränderung hingewiesen hatte. Doch am Ergebnis der Untersuchung war nicht zu rütteln.
Als sie weit nach Mitternacht am Lagerfeuer zusammensaßen, machten die abenteuerlichsten Theorien die Runde. Eine davon besagte, dass der Schatten, der Leonard berührt hatte, ihm das »Terror-Gen« aus dem Blut gezogen hatte. Sogar die nüchtern denkenden Wissenschaftler waren bereit, diesen Umstand zumindest in Erwägung zu ziehen. Denn dass etwas während ihres »Blackouts« geschehen war, stand außer Frage, das spürten sie alle.
Weil Sir Leonard seine Taten unter Fremdeinfluss zutiefst bedauerte und dabei auch gleich um
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