2896 - Die Wahrheit bringt den Tod
fahren.«
»Lou Tsang? Der Passfälscher?«, fragte Mullvaney überrascht.
»Genau der. Ich habe mir gedacht, dass ich den Personen, die ich interviewe, auch standesgemäß gegenübertreten muss. Dazu gehört die Kleidung, das Auftreten, die Sprache und nicht zuletzt ein Presseausweis. Für den Fall, dass jemand ihn sehen möchte. Und der ist jetzt fertig. Tsang sagt, er ist von einem echten nicht zu unterscheiden, und weißt du, warum nicht?« Belding wartete die Antwort nicht ab. »Er ist echt.« Dann lachte er schallend.
Mullvaney runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Du verstehst es nicht, Steve? Dabei ist es doch ganz leicht zu verstehen«, sagte Belding überheblich. »Der Ausweis ist auf dem Papier gedruckt worden, das auch der britische Journalistenverband für seine Ausweise verwendet, und er ist abgestempelt mit einem Stempel, den auch die offiziellen Behörden verwenden. Der Ausweis ist also keine perfekte Fälschung, sondern ein Original. Kapiert?«
Mullvaney nickte. »Und aus Richard Belding ist ein angesehener Journalist geworden.«
Belding schüttelte den Kopf. »Richard Belding bleibt das, was er immer war: ein kluger Geschäftsmann. Aber für einige Stunden wird er nun zu Edward Belfour, einem britischen Wissenschaftsjournalisten.«
»Gibt es diesen Belfour wirklich?«, fragte Mullvaney.
»Natürlich. Das ist doch gerade das Geniale an der Sache. Wenn du im Internet nach Journalisten recherchierst, die bereits Reportagen in diversen renommierten Zeitschriften und Zeitungen publiziert haben, dann findest du eine Reihe von Namen und Fotos. Aber du findest nur wenige Journalisten, die mir ähnlich sehen. Und genau so einen habe ich gesucht. Einen, der mir verdammt ähnlich sieht. Und ich habe ihn gefunden. Edward Belfour.«
Mullvaney nickte. »Und sollten die Leute, die du interviewen willst, Informationen im Internet über Edward Belfour suchen, dann werden sie das Profil eines anerkannten Journalisten finden. Und Fotos eines Mannes, der dir sehr ähnlich sieht.«
»So ist es. Ich werde Wirtschaftsexperten und Juristen anschreiben, die für große Unternehmen arbeiten. Für Unternehmen, die im NASDAQ gelistet sind. Ich werde sie um ein kleines Interview bitten. Für eine Reportage über die Wall Street und die Macher im Hintergrund. Sie können sogar den Ort des Interviews selbst wählen. Die einzige Bedingung ist, dass wir ungestört und ohne Nebengeräusche reden können, damit das Gespräch auf dem mitlaufenden Aufnahmegerät einwandfrei zu verstehen sei. Sie werden also einen Ort auswählen, an dem wir nicht gestört oder beobachtet werden. Und in dem Kaffee, den sie trinken, oder dem Tee oder der Coke, wird sich eine kleine Menge einer Substanz befinden, die eigentlich nicht hineingehört.«
»Das Wahrheitsserum«, ergänzte Mullvaney.
Belding geriet ins Schwärmen. »Und dann werden sie mir meine Fragen beantworten. Sie werden mir alles sagen, was ich wissen möchte.«
Mullvaney nickte anerkennend. »Ich verstehe. Aber warum machst du die Interviews nicht mit den Unternehmern direkt?«
»Weil man an die nicht herankommt. Die haben Besseres zu tun als Interviews zu geben. Deshalb befrage ich die, die ebenfalls über Insiderwissen verfügen. Und die sich freuen, wenn sie auch mal gefragt werden.«
»Und was willst du sie fragen?«, hakte Mullvaney nach.
»Veruntreute Gelder, illegale Geschäfte ihrer Klienten, Sexgeschichten. Egal. Für mich ist alles von Interesse, was die Öffentlichkeit auf keinen Fall erfahren soll.« Belding rieb sich die Hände. »Einige Tage nach dem Interview mit dem Journalisten Edward Belfour werde ich denjenigen, über die mein Gesprächspartner geplaudert hat, einen USB-Stick mit dem Interview zuschicken.«
Belding stand auf, ging an das Fenster und blickte auf die Straße. »Mit dem Datenträger erhalten sie ein Angebot. Für eine Million Dollar können sie die Veröffentlichung des Interviews verhindern. Sollten sie nicht zahlen, drohe ich ihnen, die Informationen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Oder an die Presse.« Belding rieb sich erneut die Hände. »Das wird ihnen ihre Entscheidung erleichtern.«
***
Belding nahm das Handy und wählte. Nach nur wenigen Augenblicken meldete sich Waters mit heiserer Stimme.
»Dr. Waters, hier spricht Richard Belding. Wann können wir unser Geschäft abschließen?«
»Wie ich Ihnen schon sagte, Keele fährt nach Shanghai auf einen Kongress. Dienstag geht sein Flug.«
»Das heißt, Sie
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