2898 - Leichen brauchen kein Alibi
ordentlich, ehrlich gesagt.«
»Jim Stanton ist aus Ihrem Apartment geflohen. Er hat auf Agent Decker geschossen. Haben Sie eine Idee, wo sich Ihr Boss und Geliebter aufhalten könnte?«
Judy Nolan erschrak bei meinen Worten sichtlich. Sie schaute Phil an, als ob sie es nicht glauben könnte, dass er noch am Leben war. Sie kaute eine Weile nachdenklich an ihrer Unterlippe, dann schüttelte sie den Kopf.
»Es tut mir leid, aber ich weiß es wirklich nicht.«
***
John D. High hatte eine Großfahndung nach Jim Stanton eingeleitet. Als Phil und ich am nächsten Morgen ins Field Office kamen, fehlte von dem Flüchtigen noch jede Spur. Inzwischen hatte aber jeder G-man und jeder Cop in New York City das Foto und die Beschreibung des Mordverdächtigen bekommen. Die Flughäfen und Bahnhöfe kontrollierten wir besonders intensiv, und die Bilder der Überwachungskameras überall im Stadtgebiet wurden immer wieder mit einer Gesichtserkennungssoftware abgeglichen.
Doch es schien, als hätte der Erdboden den Mörder verschluckt. Die Kollegen von der Scientific Research Division hatten bei der Durchsuchung von Judy Nolans Apartment keine wichtigen Hinweise gefunden. Immerhin stellte sich heraus, dass Jim Stanton beim Verlassen seines Nachtlokals 10.000 Dollar in bar aus dem Tresor mitgenommen hatte. Das sagte jedenfalls sein Buchhalter aus. Mit dieser Summe konnte der Verdächtige zwar kein komplett neues Leben anfangen, aber zumindest eine Zeit lang untertauchen.
Im Lauf des Vormittags erreichte mich ein überraschender Anruf von unserem Computerspezialisten Alec Hanray.
»Jerry, es geht um dieses Prepaid-Handy, von dem aus Jake Reed vor seiner Ermordung angerufen wurde …«
»Ja, was ist damit?«
»Das Gerät ist soeben wieder aktiviert worden. Ich konnte das Handy orten. Es befindet sich im St. Catherine’s Park auf der Upper East Side. Eine genauere Lokalisierung ist leider nicht möglich.«
»Okay, vielen Dank. Du hast uns sehr geholfen.«
Ich legte den Hörer auf. Da der Telefonlautsprecher eingeschaltet war, hatte Phil alles mitgekriegt.
»Ob Jim Stanton mit dem Wegwerf-Handy telefoniert hat?«
»Das wird sich zeigen. Wie du weißt, haben die SRD-Kollegen das Gerät bei der Durchsuchung von Judy Nolans Wohnung nicht gefunden. Es könnte gut sein, dass der Täter es hat.«
»Aber wird Jim Stanton so unvorsichtig sein? Er kann sich doch denken, dass wir dieses Handy orten können.«
»Die Frage stellen wir ihm, nachdem wir ihn verhaftet haben.«
Während dieses Wortwechsels blieben wir natürlich nicht in unserem gemeinsamen Office sitzen, sondern eilten hinunter in die Tiefgarage und machten uns auf den Weg zur Upper East Side.
Der St. Catherine’s Park ist eine der kleineren und weniger bekannten New Yorker Grünanlagen. Natürlich fragte ich mich, was Jim Stanton dort zu schaffen hatte. Vermutlich wollte er jemanden treffen, den er auch angerufen hatte. Eine Parkanlage bietet viele Fluchtmöglichkeiten. Wenn der Verbrecher eine gute Beobachtungsposition gewählt hatte, konnte er unser Herannahen schon von weitem bemerken und sich rechtzeitig verdrücken.
Außerdem bestand die Gefahr, dass er an einem solchen öffentlichen Ort Geiseln nehmen konnte. Wir mussten Stanton eben unschädlich machen, bevor es so weit kam.
***
Ich parkte an der 68th Street. Phil und ich stiegen aus und gingen zum Parkgelände hinüber. Natürlich waren wir in unseren dunklen Anzügen zwischen den Joggern, Müttern mit Kinderwagen und Basketball spielenden Jugendlichen nicht gerade unauffällig. Aber es war keine Zeit mehr gewesen, um sich umzuziehen. Wir durften uns diese Chance nicht entgehen lassen.
Phil und ich gingen an dem bekannten Wasserspender in Form einer Elefanten-Skulptur vorbei, für den diese Grünanlage bekannt ist. Wir achteten auf schnelle und hektische Bewegungen bei anderen Parkbesuchern. Und dann erblickte ich den Verdächtigen plötzlich.
Noch war ich nicht sicher, ob es sich wirklich um Jim Stanton handelte. Aber der Mann war auffallend breitschultrig. Er saß an einem der steinernen Schachtische, die von der Parkverwaltung für Freiluftspieler aufgestellt worden waren.
Aber dieser Mann hatte weder Schachfiguren noch einen Spielpartner. Er stützte seine Oberarme auf den Tisch und schaute immer wieder in die Runde. Er machte einen nervösen Eindruck.
Doch uns hatte er noch nicht bemerkt. Phil und ich duckten uns hinter eine Parkbank. Die Situation war verzwickt. Zwischen uns und dem Verdächtigen
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