2898 - Leichen brauchen kein Alibi
wollten den Mordverdächtigen ja nicht aufscheuchen.
Judy Nolan lebte in einem altmodischen Brownstone-Haus ohne Doorman. Ich parkte schräg gegenüber. Phil und ich liefen quer über die Fahrbahn, wobei wir bereits unsere Dienstwaffen zogen. Die FBI-Marken hatten wir ebenfalls bereits an unseren Revers befestigt. Kein spitzfindiger Winkeladvokat sollte später vor Gericht behaupten können, wir hätten uns nicht als FBI-Agents zu erkennen gegeben. Ich fragte mich, wie wir unbemerkt in das Haus gelangen konnten.
Aber wir hatten Glück. Das Schloss der Eingangstür funktionierte nicht mehr richtig und ließ sich einfach aufdrücken.
»Ich gehe durch die Gasse nach hinten«, raunte Phil mir zu. »Falls Jim Stanton über die Feuerleiter abhauen will.«
Ich nickte. Während Phil die drei Stufen des Eingangsbereichs wieder hinabsprang, um seine Position einzunehmen, drang ich in das Gebäude vor. Es war noch vor Mitternacht, also für New Yorker Verhältnisse keine allzu späte Uhrzeit.
Aus mehreren Apartments drangen Geräusche von laufenden Fernsehern oder Stereoanlagen. Irgendwo weinte ein Kind. Wir wollten Jim Stanton schnell festnehmen und entwaffnen, bevor Zivilisten gefährdet werden konnten. Aber noch wussten wir ja gar nicht, ob er sich in Judy Nolans Apartment aufhielt.
Das Treppenhaus-Licht in dem Brownstone-Haus ließ sich nicht ausschalten. Daher musste ich meine Taschenlampe nicht einsetzen. Ich schlich leise in das erste Stockwerk hoch, wo sich auf der linken Seite das Apartment 3 C befand. Lauschend blieb ich neben der Tür stehen. Bevor ich sie eintrat, wollte ich mir einen Überblick verschaffen.
Da bemerkte ich plötzlich die Überwachungskamera.
Es war ein einfaches Modell, wie man es im Baumarkt kaufen kann. Das Gerät war an der Wand schräg über der Tür angebracht, die Kameralinse zeigte direkt auf mich. Ob die junge Frau die Überwachungstechnik nachträglich installiert hatte, um vor ungebetenen Gästen geschützt zu sein? Das war möglich, denn die Tür war nicht mit einem Türspion ausgestattet.
Plötzlich vernahm ich aus dem Inneren des Apartments das Geräusch eines umfallenden Möbelstücks, außerdem ein Klirren. Dafür gab es nur eine Erklärung: Jim Stanton war da, und er hatte mich auf dem Monitor des Überwachungssystems gesehen.
»FBI!«, rief ich. Im nächsten Moment warf ich mich gegen die Tür. Das Holz gab bei meinem ersten Ansturm noch nicht nach. Aber bei meinem zweiten Versuch splitterte das Schloss aus seiner Verankerung. Die Tür flog nach innen auf.
Ich stürmte in das Apartment, meine Pistole im Beidhandanschlag. Mit einem Blick erfasste ich die Lage. Ein Stuhl war umgekippt, ein Teller mit Spaghetti lag auf dem Boden. Offensichtlich hatte der Verdächtige gerade gegessen, als er mich vor dem Kameraobjektiv bemerkt hatte.
Das Fenster war hochgeschoben, ich hörte das metallische Klirren von schnellen Schritten auf der Feuerleiter. Offensichtlich wollte sich der Verdächtige auf diesem Weg aus dem Staub machen.
Aber unten wartete ja Phil auf ihn. Kaum war mir dieser Gedanke gekommen, als laute Rufe in der Gasse hinter dem Haus erklangen. Gleich darauf knallte ein Schuss.
Ich war beunruhigt. Phils SIG erkenne ich an ihrem Klang. Und es war nicht mein Freund gewesen, der gefeuert hatte. Ich stieg ebenfalls durch das offen stehende Fenster. Dann raste ich so schnell wie möglich die eisernen Sprossen hinab. In diesen Momenten gab ich natürlich eine erstklassige Zielscheibe ab.
Doch in der Gasse unter mir regte sich nichts mehr. Es war ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack. Im Gegensatz zum Treppenhaus war es in dem schmalen Durchgang sehr finster. Ich musste meine Taschenlampe einschalten, nachdem ich vom unteren Ende der Feuerleiter heruntergesprungen war.
Und das, was ich im Lichtkegel der kleinen Leuchte zu sehen bekam, gefiel mir gar nicht: Phil lag leblos auf dem Boden.
***
Trotz meines Schrecks verlor ich nicht die Nerven. Ich hielt meine Waffe immer noch schussbereit, drehte mich im Halbkreis um die eigene Achse und leuchtete die Umgebung ab. Erst jetzt bemerkte ich eine zweite Person in einem schäbigen Wintermantel, die sich brummend und lallend auf dem Boden bewegte. Die Gasse war übersät mit Abfällen und ausrangiertem Hausrat.
Phil bewegte sich nun wieder und griff sich stöhnend an den Kopf.
»Verflixt, ich habe meine Pistole verloren. – Wo ist Jim Stanton?«
»Ich kann ihn nirgends entdecken, aber deine Dienstwaffe ist hier.«
Ich
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