29 - Im Lande des Mahdi III
übrigen schwer verwundet. Das hatte ich nicht gewollt!
Der Raïs Effendina stand fern und beobachtete mich. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn in so zornigem Ton, daß ich fast sagen möchte, ich fuhr ihn an:
„War dies notwendig? Warum hast du mir es nicht vorher gesagt? Mußten sie denn ermordet werden?“
„Ermordet? Ich verzeihe dir diese Frage, weil du dich in Aufregung befindest. Konnte ich diese Menschen laufen lassen und ihnen Gelegenheit geben, ihr Handwerk fortzutreiben?“
„Das hätte ich nicht von dir verlangt. Du konntest sie begnadigen und in deinen Dienst nehmen. Du hast ganz dasselbe schon mit ihren Kameraden getan, welche wir in der Seribah Aliab gefangennahmen!“
„Ich tat das nur auf deine Bitte hin. Wollte ich mich stets und so weiter nach deinen Wünschen richten, so müßte ich alle Sklavenjäger des Sudans zu meinen Asakern machen, und die Folge davon wäre, daß sie mich schließlich zwängen, selbst auch Sklavenjäger zu werden.“
„Davon ist keine Rede. Es handelt sich nur um die zwölf Männer hier.“
„Nur um die zwölf?! Nur? Nimm die dazu, welche ich in der Seribah Aliab begnadigte, so sind ihrer, denen ich nie trauen könnte, genug, mir meine bisher so zuverlässigen Soldaten nach und nach zu verführen und vollständig zu verderben. Nein. Wehe dem, der wehe tut! Diese Hunde haben den Tod verdient, und ich kenne meine Pflicht. Du hast sie gesehen. Leben noch welche?“
„Noch drei, die so schwer verwundet sind, daß sie unmöglich aufkommen können.“
„Man wird sie erlösen. Komm zu dem Mokkadem! Er wird ganz entzückt darüber sein, dich sobald wiedergesehen zu haben.“
Während ich dieser Aufforderung folgte, winkte er drei seiner Leute zu sich und erteilte ihnen einen Befehl, den ich nicht verstehen konnte. Sie gingen nach dem Feuer. Ich sah nicht hin; aber drei rasch hintereinander fallende Schüsse sagten mir, daß sie den Auftrag erhalten hatten, die drei Verwundeten zu erschießen.
Der Mokkadem war an Händen und Füßen gebunden und an das Feuer geschafft. Dann nahm der Raïs Effendina einen Feuerbrand und forderte mich auf, mit ihm das Innere des Tokuls zu untersuchen.
Wir fanden in der ersten Hütte einige Fettlampen, welche wir anzündeten, da der brennende Ast gefährlich war, denn es stand zu erwarten, daß ein Vorrat von Pulver vorhanden sei. Die Hütte gehörte, wie wir später von ihm selbst erfuhren, dem Mokkadem. Da lagen meine, Ben Nils und Selims Waffen. Es fanden sich auch alle anderen Gegenstände vor, welche uns abgenommen worden waren. Wir erhielten natürlich alles zurück.
Es versteht sich ganz von selbst, daß wir alles, was wir außerdem in diesem Tokul und den andern Hütten fanden, für gute Beute erklärten, und zwar sollte dieselbe unter die Bor verteilt werden. Als das der Häuptling derselben hörte, geriet er vor Freude beinahe außer sich und floß von Versicherungen seiner Treue und Ergebenheit geradezu über.
Unser Zweck war erreicht, und wir beschlossen, nun zurückzukehren. Einige Asaker wurden dagelassen, um die Hütten während der Nacht zu bewachen. Am Morgen sollten die Bor die Beute abholen und die Tokuls in Brand stecken.
Die Heimkehr geschah in gerader Fahrt quer über den Maijeh hinüber, so daß wir in kurzer Zeit das Lager erreichten. Dort wurde der Mokkadem so niedergelegt, daß er die noch an dem Baum hängende Leiche seines Sündengenossen nicht sehen konnte. Sein vom Feuer beleuchtetes Gesicht hatte einen sehr ruhigen Ausdruck. Entweder besaß er Beherrschung genug, seine Angst zu verbergen, oder er hatte gar keine Sorge, sondern gab sich der Überzeugung hin, daß selbst unter den gegenwärtigen Verhältnissen einem Mann von seiner Stellung nichts Schlimmes geschehen könne. Diese Meinung wurde dadurch bestätigt, daß er, als man sich eine Zeitlang scheinbar nicht um ihn zu kümmern schien, mir in fast befehlendem Ton zurief:
„Soll ich etwa so liegenbleiben? Ich will losgebunden sein!“
Da trat der Emir zu ihm und antwortete:
„Du scheinst mißmutig zu sein? Wohl weil du Langeweile hast! Gut, du sollst Unterhaltung haben. Willst du vielleicht die Gnade haben, mir deine Wünsche mitzuteilen?“
„Spotte nicht, sondern bedenke, wer und was ich bin!“ fuhr der Gefangene auf. „Gib mich frei!“
„Was wirst du dann tun, wenn ich diesem deinem Befehl Gehorsam leiste?“
„In diesem Fall bin ich bereit, euch die Mißhandlung, welche ich erduldet habe, zu verzeihen.“
„Wenn ich dir aber
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