29 - Im Lande des Mahdi III
du wirst von mir gehört haben, daß ich nicht zu fackeln pflege.“
„Ich habe dich nicht zu fürchten!“
„Ob du dich vor mir fürchtest oder nicht, das ist deine Sache; die meinige aber ist, den Stab der Gerechtigkeit zu schwingen.“
„Falls du gerecht bist, muß du mich entlassen. Ich habe dir nichts getan.“
„Du bist Sklavenjäger!“
„Beweise es mir! Bringe mir einen Sklaven, den ich gefangen habe!“
„Belle nur, Hund; bald wirst du winseln! Hast du nicht diesem Effendi nach dem Leben getrachtet?“
„Er lügt. Und selbst wenn es wahr wäre, müßte er sich nicht an dich, sondern an seinen Konsul wenden.“
„Du irrst. Du bist Untertan des Vizekönigs, an dessen Stelle ich hier vor dir stehe. Deine Missetaten sind mir alle bekannt. Der Effendi hatte sehr oft Nachsicht mit euch; ich aber wußte, daß du in dem Augenblick, an welchem ich dich fassen würde, verloren seist. Jetzt habe ich dich, folglich ist es aus mit dir.“
„Bringe mir Beweise! Was andere sagen, geht mich nichts an. Ich kann Zeugen dafür bringen, daß ich nichts getan habe und fälschlicherweise angeschuldigt werde.“
„Ich will mich durch deine Worte nicht erzürnen lassen, weil du in meinen Augen bereits eine Leiche bist und ich mich über einen Toten unmöglich ärgern kann. Deine Zeugen gelten nichts; ich glaube denen, die deine Ankläger sind. Mein Gesetzbuch ist dasjenige der Wüste: Gleiches mit Gleichem. Wehe dem, der wehe tut! Aziz, bringe einen Strick!“
Aziz war bekanntlich der Liebling und Urteilsvollstrecker des Raïs Effendina. Er ging in einen Tokul, um den verlangten Strick zu holen. Als er ihn brachte, rief der Muza'bir aus:
„Effendina, willst du etwa Ernst machen? Bedenke die Verantwortung! Der Mokkadem der heiligen Kadirine ist mein Freund. Er weiß, daß ich unschuldig bin, und würde dich wegen meines Todes vor den Vizekönig fordern!“
„Dieser Mokkadem ist auch mein Freund und wird, noch ehe es Morgen wird, zu seinem Vergnügen hier neben dir hängen. Hinauf mit ihm an den Ast!“
Drei Asaker hielten den Muza'bir fest; Azis legte ihm die Schlinge um den Hals, um das andere Ende des Strickes zwei andern Asakern, welche auf den nächsten Baum kletterten, zuzuwerfen. Der Verurteilte versuchte, sich zu wehren. Er schrie und heulte, in einem fort seine Unschuld beteuernd. Ich konnte es nicht unterlassen, den Emir um Gnade zu bitten, erhielt aber, wie zu erwarten stand, die zornige Antwort:
„Schweig! Du weißt, wie oft ich dir zuliebe Milde walten ließ. Hätte ich das nicht getan, so wären wir längst mit diesen Hunden fertig. Kommst du nun, da wir fast am Schluß stehen, mir wieder mit solchen Bitten der Schwachheit und des Unverstandes, so begibst du dich in die Gefahr, mich in der Weise zu erzürnen, daß ich nichts mehr von dir wissen mag. Halte also den Mund und entferne dich, wenn du es nicht vertragen kannst, einen solchen Halunken hängen zu sehen!“
Nun, das war deutlich genug! In dieser Weise hatte noch kein Freund zu mir gesprochen. Ich verzichtete natürlich auf jedes weitere Wort und wandte mich schweigend ab. Es widerstrebte mir zwar, Augenzeuge der Hinrichtung zu sein, doch war es keineswegs Schwäche, welche mir meine Bitte diktiert hatte. Darum blieb ich seitwärts stehen, um zuzusehen.
Der Muza'bir bekam einen zweiten Strick unter den Armen hindurch, an welchen er emporgezogen wurde; dann band man den ersten Strick, dessen Schlinge ihn um den Hals ging, an einem starken Ast fest. Nun wurde der vorige Strick losgelassen, und die Schlinge zog sich fest; die Arme und Beine bewegten sich eine kurze Zeit krampfhaft in der Luft, worauf sie schlaff herabhingen. Als dies geschehen war, kam der Emir zu mir. Sein Zorn war so schnell verraucht, wie er gekommen war.
„Effendi, die Gerechtigkeit ist befriedigt, doch nicht vollständig“, sagte er. „Wir müssen auch den Mokkadem noch haben. Hoffentlich wirst du mir dabei deine Hilfe nicht versagen?“
„Wie kommst du zu dieser Frage?“
„Infolge deiner sogenannten Humanität. Du wolltest vorhin den Muza'bir freibitten, und ich muß dir aufrichtig sagen, daß ich den Mokkadem, sobald wir ihn haben, an demselben Baum aufhängen lassen werde. Ist dir das nicht recht, so mag Ben Nil uns nach der neuen Seribah führen, und du bleibst hier, damit dein zartes Gewissen dir später keine Vorwürfe machen kann.“
„Mein Gewissen ist ebenso kräftig wie das deinige. Laß tausend Menschen hängen, ich sehe ruhig zu, wenn sie es
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