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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Willen nicht tue?“
    „So erinnere ich dich daran, daß ich Mokkadem der heiligen Kadirine bin und es mich nur ein Wort kostet, dich und euch alle zu verderben.“
    „So! Laß uns dieses große Wort doch einmal hören!“
    „Effendina, verhöhne nicht den Mann, der so hoch über dir steht! Hunderttausende, die zur Kadirine gehören, sind mir Untertan!“
    „Aber ich gehöre nicht zu ihr!“
    „Dennoch besitze ich die Macht, dir zu beweisen, wie tief du dich unter mir befindest!“
    „Du brauchst dich nicht zu bemühen, o großer Mokkadem, denn ich besitze ganz dieselbe Macht und bin gern bereit, zu zeigen, daß du recht hast. In wenigen Augenblicken werden wir alle tief unter dir stehen, und du wirst über uns erhaben sein. Du sollst schon jetzt den Vorgeschmack davon haben. Sieh einmal da hinauf!“
    Er deutete nach dem Baum und gab dem Mokkadem eine andere Lage, so daß derselbe hinaufsehen konnte. Als der Gefangene den Gehenkten erblickte, war er für eine ganze Minute still, doch schienen seine Augen aus ihren Höhlen treten zu wollen. Dann schrie er im Ton des Entsetzens auf:
    „Wer ist das? Täuschen mich meine Augen? O Allah, Allah, Allah! Das ist ja – – – das ist der Muza'bir!“
    „Ja, der Muza'bir“, nickte der Raïs Effendina. „Er dünkte sich so erhaben über uns, daß wir ihn so hoch erhoben, um uns in Demut vor ihm neigen zu können. Da wir wissen, daß du noch über ihm stehst, werden wir dir einen noch höheren Platz anweisen.“
    „Mir? Wollt ihr – mich – mich etwa –?“
    Er brachte die Frage nur stammelnd heraus, und das letzte Wort blieb ihm gar im Mund stecken.
    „Aufhängen?“ ergänzte der Emir. „Ja, aufgehängt wirst du werden. Was soll sonst mit dir geschehen?“
    „Un – un – unmöglich!“
    „Wir werden das Unmögliche möglich machen müssen, denn ich habe dem Muza'bir, deinem Freund, versprochen, daß du, noch ehe der Morgen graut, mit ihm an demselben Baum hängen werdest.“
    „Welch ein Mord! Welch ein Verbrechen! Was hat euch der Muza'bir getan? Sein Tod wird gerächt werden. Ich selbst werde zum Khedive gehen, und wehe, dreifach wehe dann den Mördern! Ich werde von jetzt an weder ruhen noch rasten, bis ich euch vernichtet habe. Ihr habt eure verruchten Hände erhoben, um –“
    „Schweig, du Hundesohn!“ donnerte ihn da der Emir an, welcher bis jetzt in ruhigen Ton gesprochen hatte. „Wie darfst du von Verruchtheit sprechen! Du selbst bist ja der Verruchteste unter den Verruchten! Meinst du, deine verrückten Worte und Drohungen seien für mich Haschisch, der mich betrunken macht? Du weißt, daß wir alle deine Missetaten kennen, und wagst es dennoch, mir zu drohen? Wenn du von so hoch oben herab mit mir reden willst, werde ich dir sogleich den geeignetsten Platz dazu anweisen. Hinauf mit ihm, hinauf, und zwar um zwei Äste höher als der Muza'bir! Dann mag ihn seine heilige Kadirine, mit welcher er uns droht, vom Baum schneiden. Allah ist gerecht, und auch ich sage: Wehe dem, der wehe tut!“

ZWEITES KAPITEL
    Gerechte Vergeltung
    Am sechsten Tag nach diesem der gnadenlosen Vergeltung gewidmeten Abend wand sich unser Zug wie eine endlos erscheinende Schlange durch einen Wald, dessen Riesenbäume ein Laubdach bildeten, durch welches selbst die Sonne des Sudan nicht einen Strahl zu senden vermochte. Wir befanden uns in immerwährender Dämmerung. Diese wäre uns sehr willkommen gewesen, denn sie schützte uns vor der glühenden Hitze, welche draußen auf dem offenen, wasserlosen Gelände alles Leben vernichtete; aber sie war wenigstens ebenso gefährlich wie dieser Sonnenbrand, denn unter den dichten Blätterhallen lag ein Boden, welcher unmöglich als Erde bezeichnet werden konnte. Sumpf, bodenlos tiefer Sumpf war es, in welchen die Giganten der Baumwelt ihre Wurzeln schlugen, ohne, was mir völlig unerklärlich schien, in demselben zu versinken.
    Ich hatte in den Vereinigten Staaten den Dismal-, Alligator-, Catfish-, Green- und Gum-Swamp kennengelernt und seit jener Zeit geglaubt, daß kein Sumpf der Erde sich mit diesen Swamps zu messen vermöge, mußte aber jetzt einsehen, daß dieselben, verglichen mit der Region des oberen Nils, welche wir jetzt durchzogen, den Namen Sumpf gar nicht verdienen.
    Der Waldboden, auf welchem wir uns bewegten, war ein mit Wassermoos und anderen Sumpfpflanzen bedeckter, dicker Brei, welcher bei jedem Schritt den Reiter und sein Tier zu verschlingen drohte. Das schwappte und schnappte, klitschte und

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