29 - Im Lande des Mahdi III
Ufer bis nahe an den Wald reichten. Dort war der Ruf erklungen, und dorthin wandte ich mich, indem ich das Gewehr vom Rücken nahm.
„Darf ich mit?“ fragte Ben Nil. „Du weißt, Effendi, daß ich dir die Jagd nicht verderbe.“
„Ja, komm!“ antwortete ich, um ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Er wollte gern auch etwas schießen.
„Ich möchte auch mit“, meinte Selim. „Vor meiner Kugel erzittert jedes Wild.“
„Und fliegt sodann unverletzt davon“, fügte ich hinzu. „Du Unglückskind würdest uns alles verscheuchen. Du bleibst zurück, hier am Rande des Gebüsches, damit wir dich dann nicht zu suchen brauchen. Lauf nicht etwa davon! Verstanden?“
„Ja, ich bleibe stehen, Effendi. Ich habe ja versprochen, alles zu tun, was du verlangst. Nur schaffe recht bald etwas zu essen!“
Er setzte sich nieder, und wir entfernten uns und huschten am Waldesrand nach der Spitze des Sumpfes. Ich drang vorsichtig in das Schilf ein und sah zwei Kronenkraniche im Wasser stehen. Die schönen grauen Vögel nahmen sich mit ihren hohen Kopfbüschen prächtig aus, waren aber alt, also nicht zu essen. Dagegen bemerkte ich weiter oben eine Gesellschaft von Sporengänsen, nämlich am jenseitigen Ufer, während am diesseitigen Ufer ein Sporenkiebitzpaar im Wasser hockte. Der Sudanese nennt diese letzteren, sehr wachsamen Vögel nach ihrer Stimme Sik-sak. Da eine Gans einen besseren Braten als ein Kiebitz gibt und auch leichter zum Schuß kommt als dieser, wandten wir uns um die Spitze des Maijeh herum dem anderen Ufer zu, an welchem wir in gebückter Stellung hinter dem Schilf entlang schlichen. Da klang es plötzlich und ängstlich ‚Sik-sak, sik-sak!‘ Die Kiebitze hatten sich drüben erhoben, kamen über den Maijeh herüber und flogen über uns hinweg.
„Was ist das?“ fragte ich leise, indem ich stehenblieb. „Die Kiebitze sind drüben aufgescheucht worden. Von wem?“
„Von uns“, meinte Ben Nil. „Sie haben uns gesehen.“
„O nein. Das Schilf deckte uns ja. Wären wir es gewesen, vor denen sie flohen, so wären sie doch nicht herüber nach unserer Seite gekommen.“
„Sie werden Selim bemerkt haben.“
„Das ist allerdings möglich, komm also weiter!“
Als wir die Stelle erreichten, wo ich jenseits des Schilfes die Gänse gesehen hatte, drangen wir langsam und leise in das letztere ein. Es gelang uns, die Gesellschaft zu sehen, ohne selbst bemerkt zu werden.
„Nimm die junge, fette links!“ flüsterte ich Ben Nil zu, indem ich meinen Lauf auf eine andere richtete. Die beiden Schüsse krachten fast zu gleichen Zeit; die Schar stob schnatternd auseinander; die beiden Opfer aber waren so gut getroffen, daß sie sich kaum noch bewegten. Wir drangen vollends durch das Schilf und langten sie mit unseren Gewehren aus dem Wasser.
„So, jetzt gibt's zu essen!“, lachte Ben Nil befriedigt. „Nun wird Selim wohl nicht mehr wimmern.“
Jeder seine Gans in der Hand, kehrten wir um den Maijeh nach der anderen Seite zurück. Es war, seit wir Selim verlassen hatten, doch über eine Viertelstunde vergangen. Als wir den Sumpf umschritten hatten und ich am schnurgeraden Waldesrand hinblickte, sah ich Selim nicht. Auch Ben Nil vermißte ihn, denn er sagte:
„Dieser Mensch ist doch nicht da geblieben, wo er bleiben sollte! Er wird auch nach dem Maijeh gegangen sein. Jedenfalls war er es, der die Kiebitze vertrieb.“
Da dies sehr leicht möglich, ja sogar wahrscheinlich war, fühlte ich, der ich sonst so vorsichtig bin, mich nicht beunruhigt, und so schritten wir langsam der Stelle zu, an welcher Selim gesessen hatte. Dort angekommen, sah ich zunächst, daß keine Spur von hier aus nach dem Sumpf führte. Er war also nicht dort; aber mehrere Zweige des Gebüsches waren abgebrochen.
„Er ist wieder in den Wald gegangen“, sagte ich. „Warum, wozu?“
Kaum hatte ich diese Frage ausgesprochen, so bekam ich die Antwort, aber auf eine ganz und gar unerwartete Weise. Es richteten sich nämlich jenseits des Strauches mehrere Gestalten auf, welche mit den Kolben ihrer Gewehre zum Schlag ausholten. Ich wollte zurückspringen, aber es war bereits zu spät. Ein Hieb streckte mich nieder; ich versuchte, mich aufzurichten, bekam aber einen zweiten Hieb, der mir die Besinnung raubte.
Als ich später erwachte, war es mir ganz eigentümlich vor den Augen. Ich sah wie durch einen dichten Nebel, hinter welchem Gestalten saßen. Mein Kopf tat entsetzlich weh. Ich wollte nach demselben greifen, konnte aber nicht, denn
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