29 - Im Lande des Mahdi III
meine Arme waren fest an den Leib gebunden.
„Der Hund hat die Augen offen“, ertönte es gerade vor mir. „Er lebt also noch. Welch eine Freude für uns!“
Auch diese Stimme klang wie durch einen Nebel, wie aus der Ferne oder vielmehr wie durch eine Wand an mein Ohr. Dennoch kam sie mir bekannt vor. Ich sann und sann, wo ich sie schon gehört haben mochte – vergeblich; meine Sinne waren noch halb gelähmt von den zwei Kolbenhieben.
„Hättet ihr ihn gegen meinen Befehl zu Tode getroffen“, hörte ich dieselbe Stimme wieder, „so wäre uns ein großer Genuß entgangen. Nun er aber lebt, werden ihm endlich, endlich die Qualen werden, die ich ihm schon oft vergeblich angedroht habe. Dieses Mal entkommt er uns nicht wieder!“
Jetzt, ja jetzt wußte ich, wer der Sprecher war. Ibn Asl, mein Todfeind! In seiner Hand befand ich mich! Ich schloß die Augen, nicht etwa vor Angst, vor Entsetzen, o nein! Es gibt keine Lage, in welcher der Mensch zu verzweifeln braucht. Aber mir war vor allen Dingen Ruhe nötig, Ruhe, damit meine Sinne vollständig erwachen, mein Denkvermögen sich erholen könne. Und kaum hatte ich die Augen zu, so wußte ich nichts mehr von mir. War es tiefer Schlaf, in den ich verfiel, oder eine abermalige Bewußtlosigkeit, die mich erfaßte, ich weiß es nicht; aber als ich zum zweitenmal erwachte, schmerzte mich mein Kopf zwar noch ebenso, übrigens jedoch fühlte ich mich äußerlich so kräftig und innerlich so klar, als ob vorher gar nichts geschehen sei.
Ich öffnete die Wimpern ein wenig, um verstohlen hindurchzublicken. Was ich sah, konnte keineswegs tröstlich genannt werden. Es war noch Tag. Ich lag am Waldesrand, genau an der Stelle, an welcher ich niedergeschlagen worden war. Neben mir lagen rechts Ben Nil und links Selim, beide mit offenen Augen und beide ebenso an Händen und Füßen gebunden wie ich. Gerade vor mir saß Ibn Asl, welcher den Blick mit haßerfülltem Ausdruck auf mich gerichtet hielt. Um ihn saßen die ihm Näherstehenden seiner Untergebenen, etwas entfernter die weißen Sklavenjäger. Weiter draußen folgten die Djangeh, welche teils ruhten und teils beschäftigt waren. Diese Beschäftigung bestand in dem Zäumen und Satteln der Ochsen, welche zwischen dem Wald und dem Sumpf geweidet hatten. Eine ganze Anzahl dieser Tiere war dazu bestimmt, die Stricke, Ketten und Halsbäume zu tragen, mit denen die einzufangenden Sklaven gefesselt werden sollten. Von diesen Werkzeugen war eine Menge vorhanden.
„Mach die Augen weiter auf, du Hund!“ fuhr mich Ibn Asl an. „Meinst du, ich sei blind, um nicht zu sehen, daß du durch deine verfluchten Wimpern blickst?“
Um ihn nicht zu weiteren, zwecklosen Beleidigungen zu veranlassen, hielt ich es für geraten, die Augen vollends zu öffnen. Er hatte eine Nilpferdpeitsche in der Hand, versetzte mir einen Hieb mit derselben und fuhr fort: „Allah hat endlich mein Flehen erhört und dich in meine Hand gegeben, wo ich es gar nicht mehr für möglich hielt. Weißt du, was dich erwartet?“
„Ja“, antwortete ich ruhig. „Die Freiheit.“
„Hund, wagst du es, mich zu verhöhnen!“ fuhr er auf, indem er mir einige weitere Hiebe gab. Ich hatte infolge der leichten, dünnen Kleidung die Schwielen derselben dann längere Zeit zu fühlen. „Die Qualen, welche dich erwarten, habe ich dir schon einige Male aufgezählt. Es glückte dir, mir zu entkommen. Dieses Mal aber sollst du mir nicht entfliehen. Das erste wird sein, daß ich dir die Augenlider abschneiden lasse, damit du die Segnungen des Schlafes entbehrst und unter der Folter der Ruhelosigkeit langsam dahinstirbst!“
„Du wirst eher sterben als ich, und Allah wird deine Seele unter diejenigen Martern stellen, welche du für mich bestimmt hast und doch nicht an mir auszuführen vermagst.“
Ich sagte das, weil eine innere Stimme mir versicherte, daß ich auch dieses Mal entkommen werde. Ich verzweifelte keineswegs, sondern vertraute auf Gott, auf mein oft erprobtes Glück, auf meinen Scharfsinn und meine Körperkraft. Übrigens wußte ich, daß er sich hüten werde, schon jetzt meinen Körper zu verletzen. Eine Erkrankung meinerseits hätte seinen Marsch aufgehalten, und es lag doch jedenfalls in seiner Absicht, mich für längere Martern aufzubewahren.
„Nicht auszuführen?“ schrie er mich an. „Es bedarf nur eines Wortes von mir, so wird der Befehl erfüllt; aber ich habe jetzt weder Zeit noch Lust dazu. Zuallererst werde ich dich mit dem Anblick derer
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