GK0105 - In Satans Diensten
Ob sie das durchhalten würde? Und was würde das Publikum sagen? Wie würde es reagieren?
Abermals seufzte Ramona Navarra auf. Dann hob sie den Kopf und blickte in den Spiegel.
Sie war noch immer schön. Trotz ihrer sechsunddreißig Jahre.
Aber sie wußte auch, daß unter der dicken Schminkschicht die ersten Falten lauerten. Eine Tatsache, die in ihrem Beruf doppelt so schwer wog wie bei einer normalen Frau.
Ramona Navarra – die Königin des Chansons, so wurde sie genannt. Sie hatte die ganze Welt gesehen, in fast allen Ländern große Triumphe gefeiert und ein Vermögen verdient.
Geld, mit dem sie sich jetzt ihre Schönheit und Jugend zurückkaufen wollte.
Mit einer automatischen Bewegung griff Ramona zu einem Plastikumhang und legte ihn sich um die makellosen Schultern.
Dann nahm sie die Abschminkdose und verteilte die geleeartige Masse in einer dicken Schicht über ihr Gesicht.
Die Tür wurde geöffnet.
Ramona wandte sich ärgerlich um, sie wollte nun niemanden sehen. Aber es war nur die Garderobenfrau. Sie trug zwei wundervolle Rosensträuße in den Händen, hinter denen ein Teil ihres Oberkörpers fast verschwand.
»Die letzten Sträuße, Señora«, sagte die Frau. »Sind sie nicht wunderbar?«
»Legen Sie sie auf den Tisch«, erwiderte Ramona gleichgültig und wandte ihr Gesicht wieder dem Spiegel zu.
Die Garderobiere trat an ihre Seite. Es war eine etwas füllige Person, knapp über fünfzig, und Ramona kannte sie schon lange.
»Sie waren großartig, Señora«, schwärmte die Frau. »So habe ich Sie noch nie erlebt. Von diesem Auftritt wird man in Madrid noch lange sprechen.«
»Hoffentlich, Alva, hoffentlich.«
»Aber Señora. Sie haben doch keine Angst, daß man Sie vergißt. Eine Frau wie Sie. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.«
Ramona lachte auf. »Haben Sie eine Ahnung, wie das Publikum reagiert, Alva. Die Leute vergessen so schnell. Eine andere kommt, eine Jüngere…«
»Was können diese Hüpfer schon gegen sie ausrichten? Nein, ich bleibe bei meiner Meinung. Aber warum machen Sie ein Jahr Pause? Ich habe mich nie getraut zu fragen. Wo werden Sie hingehen?«
Ramona drehte sich auf ihrem Stuhl. »Das, meine liebe Alva, werde ich Ihnen nicht verraten. Es muß ein Geheimnis bleiben. Meinetwegen könnte es jeder wissen, aber ›ER‹ will es nicht.«
»Wer ist dieser…«
»Keine weiteren Fragen mehr, Alva«, sagte Ramona. »So, und nun reichen Sie mir bitte das Abschminktuch.«
»Bitte, Señora.«
Die Sängerin wischte sich die Schminke aus dem Gesicht. Jetzt sah sie ihre Haut, wie sie wirklich war. Die kleinen Falten um die Augen und Mundwinkel. Und trotzdem – Ramona Navarra war noch immer eine berückend schöne Frau. Ihre Haare waren lackschwarz und fielen wie ein Vorhang bis auf die Schultern. Die Augen waren groß und dunkel, und wer tief in sie hineinblickte, hatte das Gefühl, in einem unendlich tiefen See zu ertrinken.
Aber aus diesen Augen sprach auch die Leidenschaft und das Temperament, das in ihr schlummerte. Ramona wischte nur den Rest der Abschminke von ihrem Nasenrücken, stand dann auf und schlüpfte aus dem engen, langen Kleid.
Sie trug nur noch BH und Slip. Auf ein Korsett konnte sie verzichten. Im Gegensatz zu mancher Kollegin.
Während sie sich wieder hinsetzte und ein leichtes Make-up auflegte, kämmte die Garderobiere die langen Haare aus. Sie erzählte dabei von ihrer Familie, aber Ramona hörte gar nicht zu.
Sie war mit ihren Gedanken weit in der Zukunft.
Schließlich war Alva fertig. Sie ging zum Schrank und reichte Ramona einen hellroten Pullover und einen flaschengrünen Wildlederhosenanzug. Ramona schlüpfte in die Sachen, die wie eine zweite Haut ihren Körper umschmiegten. Mit einer raschen Kopfbewegung schüttelte sie die langen Haare in den Nacken.
Alva sah ihr dabei zu, und plötzlich stahlen sich Tränen in ihre Augen. Sie wußte, daß es ein Abschied war.
»Aber Alva«, sagte die Sängerin. »Sie brauchen doch nicht zu weinen. Sie tun gerade so, als wären sie auf meiner Beerdigung.«
Ramona Navarra ahnte nicht, wie nah sie damit der Wahrheit schon war…
Alva zog die Nase hoch und holte dann erst ein Taschentuch aus ihrem Kittel.
»Es ist die reine Gewöhnung, Señora.«
»Ist ja schon gut.« Ramona faßte die Frau an beiden Schultern und hauchte ihr einen Kuß rechts und links auf die Wangen.
»Jetzt müssen Sie aber wirklich gehen, Alva.«
»Ja, Señora. Adios.«
Die Garderobiere ging zur Tür, sah sich noch einmal um
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