29 - Im Lande des Mahdi III
Nil um den Leib geschlungen, so daß wir beide gezwungen waren, nebeneinander hinter unserem Peiniger zu reiten. Von meinem Sattel aus ging wieder ein Riemen, von welchem hinter mir der Ochse Selims geleitet wurde, ein Arrangement, welches kaum raffinierter erdacht werden konnte.
Ich saß auf dem Ochsen festgebunden, ohne die Zügel fassen zu können, um den Hals die schwere Schebah, welche ich mit den beiden erhobenen Händen halten mußte, wenn ich von ihr nicht erwürgt sein wollte. Jeder Ruck von Ibn Asls Ochsen, jeder Fehltritt desselben mußte meine Schebah aus der Lage bringen und mir Schmerzen bereiten. Selim war kein Reiter, war zudem auch gefesselt und leistete auf einem Ochsen sicherlich noch weniger als auf einem Pferd. Da sein Tier mit mir zusammenhing, war die Einrichtung für mich eine Folter, deren Erfindung einem Teufel Ehre gemacht haben würde. Es gab nur ein Mittel, sie erträglicher zu machen, nämlich äußerst fester Schluß- und Schenkeldruck; aber welcher sterbliche Mensch kann einen ganzen Tag, ja nur eine Stunde lang, wenn er noch dazu gefesselt ist, mit einem Ochsen solchen Schluß behalten!
Hinter Selim ritten wieder mehrere weiße Asaker, worauf die übrigen folgten. Auf einen Ruf des Anführers setzte man sich in Bewegung, erst langsam, worauf bald ein schnellerer Schritt angenommen wurde.
Schon nach den ersten fünf Minuten hatte ich die feste Überzeugung, daß ich nicht auf einem Reitochsen saß und man mir sogar unter den Lastochsen den allermiserabelsten und steifsten ‚Werfer‘ ausgesucht hatte. Nun, ich tat mein möglichstes, seinen Sylphidenschritten etwas mehr Elastizität und Stetigkeit zu geben. Aber was half das bei der Schlechtigkeit Ibn Asls, welcher von Zeit zu Zeit hinter sich nach dem Riemen griff, um an meiner Schebah zu zerren! Dann schlugen die hinter Selim Reitenden auf den Ochsen ein, daß dieser störrisch wurde und, zur Seite fahrend, mich von hinten zerrte. Es war ein Ritt, wie ich noch keinen gemacht hatte und mir auch keinen wieder wünsche.
Es mochte ungefähr drei Uhr nachts sein. Die Sterne leuchteten noch in unverminderter Helle, und es ging immer über offenes Land, bald geradeaus, bald indem wir nach rechts oder nach links abbogen. Die Führer kannten die Gegend so genau, als ob sie hier geboren seien. Das einzige Gute, welches man mir gelassen hatte, war, daß ich mit Ben Nil sprechen konnte, ohne daß man es verbot. Oder war auch das eine Raffiniertheit? Sollten wir Pläne zu unserer Rettung schmieden, um dann desto schwerer zu empfinden, daß dieselbe unmöglich sei?
Wie viele Reiter ich hinter mir hatte, konnte ich nicht sehen, da die Schebah mich hinderte, den Kopf zu drehen. Später, als wir anhielten, um die Ochsen ruhen, trinken und grasen zu lassen, zählte ich dreißig weiße Asaker und ungefähr hundert Djangeh. Es waren also wohl zwanzig weiße und fünfzig Schwarze zurückgeblieben, um die erbeuteten Ochsen und Sklaven nachzutreiben, während Ibn Asl in beschleunigtem Ritt voraneilte, um Wagunda sicher zu überraschen.
Ben Nil tat alles mögliche, mir die Qualen dieses Rittes zu erleichtern; aber da er auch an den Händen und Füßen gefesselt war, so hatte er sein Tier nicht so, wie er wollte, in der Gewalt.
„Effendi, dieses Mal ist es wohl aus mit uns“, warf er mir in halblautem Ton zu. „Oder sollte in deinem Herzen noch ein wenig Hoffnung vorhanden sein?“
„Ein wenig?“ antwortete ich. „Ich habe nicht das kleinste Stäubchen meiner Hoffnung verloren.“
„Hoffnung! Das ist ein schönes Wort; aber es steht zu befürchten, daß desselbe nicht mehr für uns existiert.“
„Es existiert für mich, solange ich lebe, und da ich jetzt noch lebe, so hoffe ich eben noch.“
„Trotz der Fesseln und auch trotz dieser Schebah, welche zu den Erfindungen der Hölle gehört?“
„Trotzdem. Fesseln kann man zersprengen, und eine Schebah ist zwar ein festes, aber immerhin auch zerbrechliches Ding.“
„Glaubst du denn, die Kette, welche deine Handschellen verbindet, sprengen zu können?“
„Solange ich die Schebah halten muß, nein.“
„Und solange du die Schellen an den Händen hast, kannst du dir die Schebah nicht selbst vom Hals nehmen.“
„Das ist richtig; aber ich hoffe, diese Schellen nicht mehr lange tragen zu müssen.“
„Wie willst du sie herunterbringen?“
„Das wirst du später erfahren. Ich will nicht davon sprechen, weil man meine Worte doch vielleicht hören könnte. Schweigen wir jetzt! Ich
Weitere Kostenlose Bücher