29 - Im Lande des Mahdi III
habe meine Gedanken anderweit zusammenzunehmen, wenn ich nicht erwürgt sein oder mit dem Ochsen stürzen und den Hals brechen will.“
Die Bemerkung vom Brechen des Halses war von mir ganz ernst gemeint. Ich befand mich wirklich in der größten Gefahr, dieses Unglück zu erleiden. Ich wurde von vorn und von hinten gezogen und gezerrt; jeder Ruck, den ich bekam, mußte mein Ochse auch fühlen. Wenn er die Geduld verlor und auf die sprichwörtlich gewordene Eigenschaft seiner Sippe verfiel, konnte er leicht zum Sturz kommen. Ich war auf seinem Rücken festgebunden und trug die schwere, lange Schebah am Hals; dieser letztere war also von meinen Körperteilen derjenige, den ich den gefährdetsten nennen mußte.
Als der Tag anbrach, fühlte ich meine Arme nicht mehr. Sie waren mir infolge der Stellung, welche sie beim Halten des Gabelastes einzunehmen hatten, eingeschlafen. Von den anderen Gliedern will ich nur die Beine erwähnen. Ich fühlte, daß sie bereits blutrünstig waren. Und doch sollte die Qual sich nicht vermindern, sondern steigern.
Die Führer hatten wegen der nächtlichen Dunkelheit nur offene Gegenden aufgesucht. Jetzt, da es hell geworden war, konnten sie die gerade Richtung einhalten, und diese führte durch Wald und immer wieder Wald. Mit meinem Tier und in meiner Lage, von vorn und von hinten gezogen und gerissen, war der Ritt unter den Bäumen hin und durch den Morast, den es da stellenweise gab, natürlich weit beschwerlicher noch als derjenige über die Lichtungen. Und doch hielt ich es bis zum Mittag aus, um welche Zeit angehalten wurde, da die Ochsen der Erholung bedurften. Dies geschah auf einer Blöße, über welche ein kleines Wasser langsam floß.
Wir drei wurden von den Tieren gebunden. Als meine Füße den Boden berührten, vermochten sie mich nicht zu halten; ich brach förmlich zusammen.
„Steht es schon so mit dir?“ lachte Ibn Asl höhnisch auf. „Willst du dich auch jetzt noch deiner Stärke rühmen?“
„Wann habe ich mich derselben gerühmt?“ antwortete ich. „Meinst du etwa, daß ich leide? Ich freue mich vielmehr, denn ich weiß, daß du Wagunda nicht zur rechten Zeit erreichen wirst.“
„Nicht? Warum?“
„Weil ich dich hindern werde!“
Er sah nachdenklich vor sich nieder und wandte sich dann, ohne noch ein Wort zu sagen, von mir ab. Ich hoffte, das erreicht zu haben, was ich mit meinen Worten erreichen wollte, nämlich eine weniger grausame Behandlung.
Meine Beinkleider waren steif vom Blut, doch erkannte ich bald, daß meine Schwäche vorhin nur eine augenblickliche und schnell vorübergehende gewesen war. Die unnatürliche, erzwungene Lage meiner gefesselten Glieder hatte sie, als sie in die gewöhnliche Lage zurückkehren durften, für eine Minute unbrauchbar gemacht. Doch ließ ich das nicht merken, sondern stellte mich schwächer, als ich in Wirklichkeit war. Diese Taktik sollte nicht ohne Erfolg bleiben.
Wir bekamen auch jetzt Fleisch und Wasser. Da ich mich freier bewegen konnte, sah ich, wie bereits oben bemerkt, aus welchen und wie vielen Leuten unser Zug bestand. Man hatte Reserveochsen mitgenommen. Zwei von ihnen trugen das Zelt des Anführers. Auf dem Packsattel eines dritten sah ich ein langes Bündel, aus welchem die Kolben und Läufe unserer Gewehre blickten. Daß man uns nicht nur die Waffen, sondern überhaupt alles abgenommen hatte, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung.
Zwei Stunden mochten wir geruht haben, als wir wieder aufbrachen. Wie war ich erfreut, als man mir, bevor ich aufsteigen mußte, die Schebah vom Hals nahm! Ich bekam sogar einen anderen, besseren Ochsen. Meine Bemerkung hatte also die beabsichtigten Früchte getragen. Zwar wurde ich wieder durch Riemen mit Ibn Asl und Selim verbunden, aber die Gabel hinderte und drückte mich nicht mehr, und ich konnte trotz der gefesselten Hände die Zügel halten und auch führen. Das hatte zur Folge, daß ich während des ganzen Nachmittags fast nicht die mindeste Belästigung fühlte, nur daß am Abend, als wir wieder haltmachten, noch eine gewisse Steifheit zu bemerken war.
Wir befanden uns am Rand einer Art von Prärie. Die Ochsen sollten einige Stunden grasen und dann wiederkäuen, natürlich unter Aufsicht von Wächtern, die sich während der Nacht abzulösen hatten. Für Ibn Asl wurde das Zelt aufgeschlagen, und mir wurde die Schebah wieder angelegt. Als Abendessen bekamen wir einen Brei von Durrhamehl, in kaltem Wasser angerührt.
Es war ein Feuer angebrannt worden,
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