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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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war geschockt, sodass die Unbekannten leichtes Spiel mit ihm hatten. Er war sicher, ebenfalls umgebracht zu werden, aber es war nur ein Knüppel, der ihn am Kopf traf und ihm augenblicklich das Bewusstsein raubte.
    ***
    Seine Umgebung sah völlig anders aus als der Tempelraum, in dem Mahan und er Quartier bezogen hatten und in dem sein Begleiter feige niedergemetzelt worden war.
    Ich bin am Ziel. Ich stehe vor ihnen , dachte Jurgis mit einer Klarheit, die ihn selbst schaudern ließ. Er hob den Kopf, und einer der Vermummten trat vor, um ihm einen Krummsäbel an die Kehle zu halten.
    Die Klinge schreckte ihn nicht. Nichts konnte ihn mehr schrecken.
    Glaubte er.
    Aus der Gruppe trat eine weitere Gestalt. Während Jurgis weiterhin am Boden kauerte, stellte der Mann sich vor ihn hin und schlug die Tücher zurück, mit denen sein Gesicht verborgen gewesen war.
    Jurgis traute seinen Augen nicht, als er den nächtlichen Besucher in Graubergs Haus wiedererkannte - derjenige, der Jurgis damals für ein Vermögen hatte kaufen wollen!
    Das kann nicht sein! Ich muss mich täuschen.
    Doch die Worte des Fremden bestätigten seinen Verdacht. »Wie konntest du glauben, uns zu entkommen? Wie konntest du hoffen, dich unserer Macht widersetzen zu können?«
    Er sprach so fließend Jurgis' Muttersprache, dass man hätte glauben können, er sei in Litaaun aufgewachsen.
    »Wer seid ihr? Diejenigen, die ich suche?«
    »Wir haben viele Namen. Für dich wählten wir einen davon: die Geheimen Oberen.«
    Schneller als der Vermummte mit dem Säbel reagieren konnte, packte Jurgis dessen Waffenhand, zog sich daran nach oben und drehte den Arm des völlig Überrumpelten so, dass die Klinge von Jurgis weg schwang und sich mit einem schmatzenden Geräusch in dessen Bauch bohrte.
    Röchelnd brach der Schwerverletzte neben Jurgis zusammen. Im Dahinsinken wand ihm der Hermaphrodit den Säbel aus der Hand und sprang nach vorn, um die Spitze der Waffe gegen die Kehle des Fremden zu drücken. Nicht allzu fest, und dennoch stahl sich ein Blutstropfen aus dessen Hals.
    »Wo ist Aiste?«, zischte Jurgis. »Wo habt ihr sie versteckt?«
    Bevor der Mann etwas erwidern oder gegen Jurgis unternehmen konnte, geschah etwas Seltsames.
    Der Hermaphrodit spürte plötzlich einen ungeheuerlichen Druck auf dem Kopf, der ihn wimmernd die Finger spreizen und auf die Knie hinabsinken ließ. Der Säbel fiel ihm aus der Hand. Durch Tränen sah er seine Umgebung nur noch verschwommen, während in seinem Kopf ein dumpfer, verzerrter Klang anzuschwellen schien. Für einen Moment war ihm, als würde jemand zu ihm sprechen. Er lauschte, und die Stimmen wurden klarer.
    Er versuchte sich zu erinnern, was gerade geschehen war. Aber ihm kam es so vor, als hätte es keine Bedeutung. Langsam stand er auf und fragte: »Wo ist das, wohin ich gehen soll?«
    Der Mann, der vor ihm stand und sich mit zwei Fingern gegen eine Stelle am Hals drückte, als fühle er seinen Puls, antwortete: »Ich zeige es dir - komm.«
    Jurgis stieg über einen sich am Boden windenden Mann hinweg, zwischen dessen Fingern, die er gegen den Bauch presste, Blut hervorquoll. Weder Jurgis noch seinen Führer schien das Los des Sterbenden zu interessieren.
    Wenig später erreichten sie den Bereich, in dem Jurgis fortan sein Leben in den Dienst der Wissenschaft stellen sollte.
    Dass er eigentlich nach Tah Ran gekommen war, um Jelenas Mörder zu stellen und zu bestrafen, schien aus seinem Gedächtnis getilgt zu sein. Ebenso wie er sich nicht mehr an das erinnerte, was er bis vor einigen Minuten noch mit dem Namen Aiste verbunden hatte.
    Und in diesem Zustand absonderlichen Vergessens lernte er Schildkröte kennen.
    ***
    Gegenwart
    »Sie haben auch Mahan getötet? Was sind das nur für Monster gewesen?«, erregte sich Aruula.
    Wie auch Matt und Rulfan war sie ganz in Xijs eindringlicher Schilderung aufgegangen, hatte bei den Wendungen seines Lebens mitgelitten und mitgefiebert.
    »Ich weiß es bis heute nicht sicher«, sagte Xij. »Jurgis wurde unablässig getäuscht. Rückblickend kann man wohl sagen, dass er ein bloßer Spielball von Mächten war, denen er in keiner Sekunde gewachsen war. Obwohl… Aber hört euch noch das Ende an. Dann urteilt selbst. Ich erwähnte schon Schildkröte und die seltsame Kraft, die Jurgis vergessen ließ, warum er eigentlich nach Tah Ran gekommen war…«
    ***
    Vergangenheit, 2472
    Jurgis träumte, dass er auf einem Tisch in einem von grünem Licht durchdrungenen Gewölbe lag und die

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