Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
Vom Netzwerk:
seine Geliebte von den blutigen Pflöcken.
    Inzwischen war er überzeugt, dass Jelena nur deshalb nicht getötet worden war, damit sie ihm berichten konnte, wohin sein Kind gebracht wurde. Sie wollten , dass er ihnen folgte.
    Weil sie wollten , dass er sie auch sicher fand.
    ***
    Er hatte Jelena in der Hütte begraben, weil im Freien der Boden so hart gefroren war, dass kein Durchkommen war. Bevor er sie in das Erdloch legte, säuberte er sie und zog ihr das Kleid an, das sie am liebsten getragen hatte.
    Jelena war stets mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen und morgens mit einem Lächeln aufgewacht. Sie hatte Jurgis mehr geschenkt, als er ihr zu Lebzeiten hatte sagen und danken können.
    Nun aber, zum Abschied und bevor er die Hütte am See verließ, nahm er sich Zeit, sich zu ihr zu setzen und nachzuholen, was er versäumt hatte. Er war sicher, dass sie ihn hörte, und er versuchte auszublenden, was ihr in den letzten Stunden ihres Lebens angetan worden war. Er wollte sie so in Erinnerung behalten, wie er sie am Morgen verlassen hatte.
    Er blendete auch aus, dass sich Aiste in der Gewalt der Bestien befand - er musste es tun, um nicht den Verstand zu verlieren oder einfach blindlings loszustürmen.
    Aber als er schließlich der Hütte mit dem Grab den Rücken kehrte, um sich auf die Fährte derer zu setzen, die Jelena auf dem Gewissen und sein Kind in ihrer Gewalt hatten, öffnete er den in ihm brodelnden Gefühlen bewusst einen Spalt, um nach oben zu steigen.
    Der Wunsch, sich in Jelenas Namen zu rächen, aber auch Aiste wohlbehalten zurückzugewinnen, bestimmte fortan jeden Schritt und jeden Gedanken. Und selbst als die Spuren der Mörderbande allmählich verwischten, ließ er sich nicht entmutigen. Er hatte ja immer noch Jelenas letzte Worte, die ihm den Weg wiesen.
    Nach Tah Ran.
    Zu den »Geheimen Oberen«.
    Wer immer das sein mochte - die Entführer von Aiste selbst oder ihre Hintermänner. Jurgis war fest entschlossen, keine Gnade walten zu lassen.
    Bis zum Ende des Frühlings brauchte er, um in die Nähe der Stadt zu gelangen, von der jeder, den er nach dem Weg fragte, nur in Ehrfurcht sprach.
    Eines Tages begegnete er einem Pilger, der gen Tah Ran zog. Er war nicht wesentlich älter als Jurgis, was diesen schon überraschte, noch erstaunter aber war er darüber, dass der Fremde mehrere Sprachen fließend beherrschte, darunter Jurgis' Heimatidiom, aber auch das des Landes, in dem Tah Ran lag.
    Sie taten sich zusammen, und während der Wanderung durch die meist öde Landschaft brachte Mahan, so sein Name, seiner Bekanntschaft die wichtigsten Sätze bei, die ihm in Tah Ran weiterhelfen würden. Er tat dies jedoch, ohne zu ahnen, mit welchen Rachegelüsten Jurgis dorthin strebte.
    »Mahan bedeutet ›Wie der Mond‹«, erfuhr er eines Abends, als sie Rast machten und der Mond übergroß und kristallklar im Himmelszelt prangte. »Hat dein Name auch eine Bedeutung?«
    Jurgis nickte - obwohl er das Kapitel seines Lebens, das bei dieser Frage in ihm hochstieg, eigentlich für sich abgeschlossen hatte. »Jurgis bedeutet ›Er arbeitet mit Erde‹«, zitierte er schließlich, was Magister Grauberg ihm gesagt hatte.
    »Und - tust du das, mit Erde arbeiten? Warst du Bauer, bevor es dich in die Fremde zog?«
    Jurgis schüttelte den Kopf. »Eine Zeitlang lebte ich von dem, was die Erde mir und meinem Weib schenkte… aber Bauer würde ich mich deshalb nicht nennen wollen.«
    »Du hast ein Weib?«
    Jurgis spürte, wie schwer es ihm fiel, auch nur beiläufig darüber zu sprechen. »Ich hatte.« Bevor Mahan weitere Fragen stellen konnte, wechselte er das Thema und gab dem Reisegefährten zu verstehen, dass er dazu nicht mehr preisgeben würde. Der Pilger akzeptierte es klaglos.
    Tage später erreichten sie Tah Ran.
    Was so viel bedeutete wie »Die Tiefe Stadt«…
    ***
    Die Stadt lag im kalten Hochland, und während Jurgis an der Seite Mahans auf das Häusermeer zuging, beeindruckte ihn beinahe noch mehr als Tah Ran selbst das gewaltige Gebirge, das dahinter aufragte. Seine Gipfel waren weiß von ewigem Schnee.
    Die Stadt selbst bestand in den Außenbezirken nur aus Ruinen; lediglich das Zentrum war wiederaufgebaut worden. An die Bevölkerungszahl vor Kristofluu und der nachfolgenden Eiszeit reichte die Stadt längst nicht wieder heran.
    Eine Karawane aus Großechsen, allesamt gesattelt und von menschlichen Reitern gelenkt, hielt auf Tah Ran zu. Aber sie hatte so viel Vorsprung, dass sie ihr nicht mehr begegnen

Weitere Kostenlose Bücher