Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ritten, um die letzte Helle des Tages zu benutzen, im Galopp und waren schon nach einer halben Stunde soweit gekommen, daß wir uns vielleicht eine halbe englische Meile unterhalb des Indianerlagers befanden. Hier gab es eine kleine, enge Schlucht, in welcher Bäume standen, an die wir die Pferde banden. Old Cursing-Dry wurde vom Pferd gehoben und auch angebunden, und zwar in einer Weise, daß es für ihn gar keine Möglichkeit gab, sich loszumachen. Er gab seinem Grimm gegen uns dadurch Ausdruck, daß er, ehe wir ihm die Beine wieder gefesselt hatten, uns mehrere Fußtritte versetzte. Wenn der Knebel nicht gewesen wäre, so hätten wir gewiß eine Menge Flüche anzuhören bekommen.
    Wir waren gezwungen, ihn allein und ohne Aufsicht hier zurückzulassen und den Weg, den wir zu Pferd gekommen waren, zu Fuß wieder flußaufwärts zu machen. Wir hatten ihn kaum angetreten, so wurde es Nacht, was uns aber nicht störte; wir kamen wohlbehalten bei Pitt Holbers an.
    Wir bestiegen das Floß, banden es vom Ufer los und begannen die nicht ganz ungefährliche Fahrt. Ich übernahm das hintere Steuer; Winnetou stand vor dem vorderen und raunte mir seine Weisungen leise zu. Es war so finster, daß jemand, der nicht Westmann war, kaum seine Hand vor den Augen hätte sehen können; ich konnte jeden einzelnen Baum am Ufer unterscheiden, und Winnetou sah gewiß noch schärfer als ich. Dick Hammerdull und Holbers saßen auf der Mitte des Floßes und verließen sich auf uns beide.
    Die Pa-Utes lagerten auf der linken Seite des Flusses; darum hielten wir uns nahe an das rechte Ufer. Das Wasser hatte guten Fall und so kamen wir rasch vorwärts. Als Winnetou annahm, daß wir uns dem Lager genug genähert hätten, legten wir am linken Ufer an, und zwar an einer Stelle, wo das Floß unter überhängenden Zweigen verborgen lag. Ich sage, am linken Ufer, denn wir wollten zwar später auf dem rechten entfliehen, mußten aber doch vorher am linken aussteigen, um unsere Vorbereitungen zu treffen.
    Zunächst schlich sich Winnetou fort, um zu rekognoszieren. Er kam nach ungefähr zwei Stunden zurück und meldete uns, daß er alles für uns günstig gefunden habe; das Grabmal werde sicher bis Mitternacht fertig sein, von welcher Zeit an sich nur der Häuptling dort befinden werde. Das Monument stand ungefähr dreihundert Schritte seitwärts vom Lager im Wald. Der kühne Apache war sogar bis fast in die unmittelbare Nähe der Halbinsel gekrochen, um später imstande zu sein, das Floß ganz sicher und genau zu regieren.
    Wir lagen bis Mitternacht still und geräuschlos unter dem dichten Gezweig. Da flüsterte mir Winnetou zu:
    „Mein Bruder mag die Zündschnur aus dem Patronengürtel nehmen.“
    Unser Werk sollte also jetzt beginnen. Jeder vorsichtige Westmann trägt einen Knäuel dünne Luntenschnur bei sich, denn er kommt zuweilen in die Lage, sie notwendig zu brauchen. Ich schnitt ein genügend langes Stück ab und steckte es lose in die Tasche, um es gleich bereit zu haben. Dann stiegen wir alle vom Floß an das Ufer, die vier großen Reisig- und Grasbündel auf den Armen. Winnetou machte den Führer.
    Es ging schief nach links in den Wald hinein. Der Apache hatte sich solche Stellen gemerkt, wo die Bäume nicht so eng zusammenstanden und wir also leichter gehen konnten. Rechts vor uns sahen wir bald den Schein der Lagerfeuer, und dann bemerkten wir links auch den Schein eines kleinen Feuers. Es brannte bei dem Grabmal. Als wir uns demselben so weit genähert hatten, daß wir es sehen konnten, erkannten wir Pats avat, den Häuptling der Pa-Utes, welcher ganz allein bei der Leiche seines Sohnes saß. Noch näher gekommen, hörten wir ihn seine Klageweisen murmeln, und legten unsere Bündel nieder. Dick und Pitt mußten stehen bleiben; ich schlich mich mit Winnetou bis fast an den Rücken des Häuptlings; da trat Winnetou vor. Pats avat blickte auf. Als er den Apachen sah, sprang er empor und stieß erschrocken die Worte aus:
    „Uff! Winnetou, der Häuptling der Apachen!“
    Der Genannte hob den Arm, deutete auf mich und antwortete:
    „Ja, ich bin es. Und da steht mein weißer Freund und Bruder Old Shatterhand.“
    Der Pa-Ute drehte sich schnell zu mir herum und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Schon öffnete er den Mund, um einen Hilferuf auszustoßen, da bekam er meinen Kopfhieb, der ihn besinnungslos niederstreckte. Nun brachten Hammerdull und Holbers die Bündel rasch herbei. Wir schichteten sie am Grabmal auf, legten die Lunte,

Weitere Kostenlose Bücher