310 - Auf gewagtem Kurs
siegen.«
Dykestraa lachte heiser. »Meinst du? Ich bin nicht umsonst die Erste Kriegerin der Dreizehn Inseln!«
Sie griff erneut an. Noch ging ihr Atem kaum beschleunigt. Auch Xij fühlte sich dank des neuen Körpers jung und bei Kräften. Sie blockte die wuchtigen Hiebe, durchschaute eine Finte und nutzte den richtigen Moment für einen Hirnschlag, wie er bereits Lusaana das Leben gekostet hatte.
Sie ließ den Stock mit beiden Händen herumwirbeln und öffnete im richtigen Moment eine Hand. Mit einem tiefen Wummern beschrieb das freie Ende des Stabes eine runde Bahn, während Xijs Arm der Bewegung folgte. Fliegen lassen – so hatte man das schon zu Zeiten der Renaissance genannt. Das Stabende flog mit tödlicher Wucht auf den Kopf Dykestraas zu.
Sie versuchte erst gar nicht, ihr Schwert in den Weg zu bringen. Die Klinge hätte sich womöglich unter dem Schlag in ihren eigenen Körper gesenkt, wie Xij aus Erfahrung wusste. Stattdessen ließ sie sich fallen und rollte über die Schulter ab. Nur Sekunden später stand sie wieder, um Xijs nächsten beidhändig geführten Angriff abzuwehren. Der Kampfstab hielt der Klinge stand. Zwei neue Kerben fing er sich ein, doch er zerbrach nicht.
Sie tauschten eine Abfolge schneller Hiebe und Stiche, ehe sie erneut auseinander fuhren. Dieses Mal fühlte Xij die Anstrengung. Ihr Atem ging heftig und auch Dykestraa keuchte.
»Jetzt verstehe ich, wie du Lusaana töten konntest«, brachte die Erste Kriegerin hervor. Wie Xij stand sie auf Abstand. Beide gönnten sich eine kurze Atempause.
»Dann begreif auch, dass ich dich töten werde«, sagte Xij gelassen. »Es wäre besser für dich, du würdest auf deine Rache verzichten.«
»Niemals! Das ist ein Zweikampf in Wudans Namen! Wir kämpfen bis zum Tod!«
»Wenn’s sein muss, auch bis zum Tod.« In Xij Hamlet legte sich ein Schalter um. Sie wusste nicht, wann und wo sie überall gekämpft hatte. Aber sie hatte gekämpft. Oft siegreich. Manchmal verlor sie. Doch selbst der Tod war in ihrem Fall lehrreich. Auch wenn sie die Erinnerungen nicht bewusst abrufen konnte, besaß sie einen Instinkt wie keine Zweite. Sie gab ihren Verstand auf. Ihr Körper bestand ganz aus Muskeln, Knochen und Sehnen, die perfekt interagierten.
Als Dykestraa dieses Mal angriff, nahm Xij ihr Gesicht nicht als das einer Person wahr. Dykestraa war der Feind. Sie bestand aus einer Abfolge von angreifenden Bewegungen. Und sie besaß wie Xij einen Körper hinter der Waffe. Dieser Körper musste ausgeschaltet werden.
Die Erste Kriegerin fintierte – sie deutete einen Schlag an und zuckte zum nächsten herum. Xij durchschaute das Manöver, kam ihr zuvor und nutzte die längere Reichweite ihrer Waffe. Sie nahm die Hände am unteren Stabende dicht zusammen, ließ den Kampfstock lang nach vorne schießen und prallte mit ihrem gesamten Gewicht hinter dem Stock auf Dykestraas Schlüsselbein. Es knackte vernehmlich.
Dykestraa schrie auf. Sie taumelte, umklammerte das Schwert aber weiterhin mit beiden Händen. Xij Hamlet nutzte den Moment ihres Schmerzes und Ungleichgewichts, um den Stock erneut herumzuschleudern. Sie ließ ihn gegen das tragende Handgelenk krachen. Dykestraas Rechte löste sich vom Heft unter der Parierstange. Die Linke am Knauf hielt das Gewicht nicht länger. Das Schwert glitt ihr aus der Hand.
Xij setzte nach, stieß Dykestraa mit dem Stab noch weiter weg und nahm die Klinge an sich. Sie schleuderte sie davon.
Dykestraa hockt auf den Knien im Sand. Die Wucht des Stoßes hatte sie stolpern und stürzen lassen. Einen Augenblick sahen die beiden Frauen einander an. In den Augen der Ersten Kriegerin lag keine Angst. Der Totenvogel Krahac, der nun bald ihre Seele holen würde, schien ihr keine Furcht zu machen. Sie hob stolz den Kopf und wartete auf den letzten, finalen Schlag. Ihr Schlüsselbein war deformiert. Es musste gebrochen sein. Auch das Handgelenk schien stark zu schmerzen oder taub zu sein, denn sie hielt es mit der Linken. Mit einem Ringangriff der Kriegerin rechnete Xij nicht mehr. Trotzdem blieb sie wachsam.
Sie senkte den Kampfstab und trat zurück. Dabei ließ sie Dykestraa nicht aus den Augen, falls diese doch einen waffenlosen Angriff versuchen sollte.
»Hau ab.«
»Was?« Dykestraa sah verständnislos zu ihr auf.
»Du sollst dich verziehen, Mädchen. Ich wollte deine Königin nicht töten. Und dich will ich auch nicht an Wudans Tafel befördern.« Sie machte einen weiteren Schritt zurück, um noch mehr Distanz zwischen
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